Börsen-Zeitung: Drückeberger in Berlin, Kommentar zur Wachstumserwartung der Bundesregierung von Angela Wefers
Frankfurt (ots)
Die Bundesregierung hat wenige Tage vor der Steuerschätzung in ihrer Frühjahrsprognose die Wachstumserwartung für 2005 und 2006 deutlich revidiert. Mit einer nun erwarteten Rate von 1,0% in diesem und 1,6% im nächsten Jahr liegen diese zwar deutlich unter dem Ansatz vom Jahresbeginn, aber bei weitem noch nicht am unteren Ende des Prognosespektrums.
Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement versuchte, die Stimmung hochzureden und Zuversicht zu verbreiten. Der wirtschaftliche Aufschwung werde breiter, die Binnenkonjunktur springe an, und auf dem Arbeitsmarkt zeichne sich Besserung ab. Mit dieser optimistischen Haltung begibt sich die Regierung in einen Teufelskreis: Zu hohe Wachstumserwartungen lassen die Schätzungen künftiger Steuereinnahmen zu üppig ausfallen und unterzeichnen die Ausgaben. Etatlöcher sind programmiert.
Die Steuerschätzer werden Mitte Mai die Ansätze für die Einnahmen zurücknehmen müssen. Zusätzliche Ausgaben resultieren aus einer anhaltend hohen Zahl von Arbeitslosen, die den Zuschuss an die Bundesanstalt für Arbeit hochtreiben und weitere Löcher in die Sozialkassen reißen. Ministerin Ulla Schmidt kann sich nur noch mit zahlungstechnischen Kunstgriffen zulasten der Wirtschaft helfen, um den Rentenbeitrag stabil zu halten.
Die revidierte Wachstumprognose führt schon jetzt dazu, dass Finanzminister Hans Eichel neuen Etatlücken ins Auge sehen muss. Die immer noch hohe Rate bedeutet darüber hinaus, dass diese sich bis zum Ende des Jahres noch ausweiten werden. Um so verwunderlicher ist es, dass Clement glaubt, die Maastricht-Defizitgrenze könne 2005 eingehalten werden.
Gegen böse Überraschungen in der Etatplanung helfen nur Prognosen mit Sicherheitsmarge. Eichel hat dies bei der Haushaltsaufstellung 2005 mit einem Abschlag von 0,2 Punkten auf die bisherige Wachstumsschätzung von 1,7% versucht, was aber unzureichend war. Schwerer noch wiegt das Versäumnis, dass die Regierung das Trendwachstum bis 2009 mit real 1,5 bis 2% deutlich über dem Wert von 1% veranschlagt, der seit Beginn der neunziger Jahr tatsächlich realisiert werden konnte. Eine Kalkulation mit echtem Sicherheitsabschlag würde aber deutlich zeigen, welche Einschnitte es in den öffentlichen Haushalten bei solider Finanzpolitik tatsächlich bedürfte. Doch davor drückt sich die Regierung.
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