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Boersen-Zeitung: Steilwand ohne Schrecken, Kommentar von Reinhard Kuls zum aktuellen Ifo-Geschäftsklima

Frankfurt (ots)

Beängstigend steil wie die Eiger-Nordwand ragt
die Kurve am aktuellen Rand der Ifo-Geschäftsklimagrafik nach oben. 
Schwindelig kann einem werden beim Blick darauf und die Sorge 
anheizen, die deutsche Konjunktur könnte geradeso blitzschnell 
abstürzen wie viele Bergsteiger an dem berühmten Schweizer Gipfel.
Aber genauso, wie erfahrene Alpinisten sich nur dann an diese 
mythosbeladene und gefährliche Tour wagen, wenn sie gut vorbereitet 
sind, genauso hat inzwischen auch die deutsche Wirtschaft alles 
unternommen, um sich im harten, internationalen Wettbewerb zu 
behaupten. Und sie war erfolgreich dabei. Sie erntet jetzt, das zeigt
die Ifo-Umfrage, die Früchte ihrer Bemühungen innerhalb und außerhalb
des Euroraums - wie auch im Inland gegenüber ausländischer 
Konkurrenz.
Nun gilt für die übrigen Euro-Länder leider nicht das Gleiche. 
Dort haben die Unternehmen zum Teil noch erhebliche Defizite 
aufzuholen. Wenn aber nicht nur in der größten Volkswirtschaft im 
Euroraum, sondern auch beim Sorgenkind Italien und auch in den 
Niederlanden die Geschäftsklimaindizes unerwartet gut ausfallen, wird
das die Europäische Zentralbank (EZB) nicht unregistriert lassen, 
schaut sie doch mit Argusaugen auch auf Stimmungsindikatoren.
So überraschend die aktuellen Indexstände in diesen wichtigen 
Frühindikatoren für viele Volkswirte in den Geschäftsbanken auch sein
mögen, sie passen doch noch immer in die EZB-Erwartung eines 
konjunkturellen Aufschwungs auf Potenzialhöhe. Dies spricht für eine 
weitere Erhöhung der noch immer leicht akkommodierenden Leitzinsen in
Euroland um 25 Basispunkte auf dann 3,00% - und zwar womöglich schon 
Anfang August.
Ein größerer Schritt freilich - und dann noch nicht einmal in dem 
bisherigen zeitlichen Abstand von drei Monaten zur vorherigen 
Anhebung, sondern nur von zwei - könnte leicht als Hektik ausgelegt 
werden und falsche Sorgensignale an die Finanzmärkte senden. Für 
dramatische Aktionen bietet der aktuelle Klimaindex keine 
argumentative Handhabe. So heiß scheint die Ifo-Sonne nicht in die 
konjunkturelle Nordwand, dass man sich plötzlich beeilen müsste, um 
schneller auf den Zinsgipfel zu gelangen, weil einem in der Eiswand 
die Tritte unter der Schuhsohle rasant wegschmelzen. Ruhe und 
Stetigkeit führen sicherer zum Ziel.
(Börsen-Zeitung, 28.6.2006)

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