Boersen-Zeitung: Bastion gefallen, Kommentar von Christin Severin zum Börsengang von Standard Life
Frankfurt (ots)
Noch vor sechs Jahren sträubte sich der schottische Versicherer Standard Life heftig gegen einen Börsengang. Mit dem ersten Handelstag an der Londoner Börse ist jetzt die letzte britische Bastion der Versicherer im Besitz von Mitgliedern jedoch endgültig gefallen. Den Weg vom Verein zum Aktienunternehmen hatten zuvor schon die Branchenkonkurrenten Friends Provident und Equitable Life beschritten. Die Aktien wurden mit 230 Pence relativ günstig abgegeben, nachdem man im April noch von einer Preisspanne zwischen 240 bis 290 Pence ausgegangen war.
Trotz des niedrigen Preises zeigten sich die Schotten mit dem Börsenstart offensichtlich zufrieden. Sie wollten den Erfolg und verzichteten dafür auf ein aggressives Pricing. Auf dem jetzigen Niveau hat der Versicherer einen Discount zu Rivalen; er wird mehr oder weniger zum inneren Wert ("embedded value") gehandelt. Der Versicherer Friends Provident wird hingegen zum 1,2- bis 1,4fachen dieses Wertes gehandelt, Legal & General zum 1,1- bis 1,5fachen. Der niedrige Ausgabepreis war damit eine der Voraussetzungen für den Kursgewinn von 6,5% am ersten Handelstag.
Die Vorsicht beim Ausgabekurs hat noch weitere Gründe. Der Versicherer hat gerade erst die Kosten gesenkt und die Profitabilität erhöht. Langfristig muss der Börsenneuling diesen Kurs noch beweisen. Zudem sind Versicherer an der Börse derzeit nicht besonders beliebt. Der FTSE-Versicherungsindex hat in den vergangenen drei Monaten rund 12% verloren, verglichen mit einem Minus von 3% für den Gesamtmarkt.
Trotz der Öffnung der Gesellschaft für ein breites Publikum ist Standard Life noch immer eine "Familienangelegenheit". Drei Viertel der Aktien gingen an ehemalige Mitglieder, Kunden und Angestellte. Für institutionelle Investoren blieb nicht allzu viel übrig. Man habe von Anfang an klar gemacht, dass man viele Kleinaktionäre wolle, erklärt der Versicherer.
Die große Zuteilung an "Zugewandte" des Unternehmens und der niedrige Ausgabepreis dürften der früheren Mentalität entsprechen, Gewinne nicht an Aktionäre, sondern an Mitglieder auszuschütten. Letztere hatten Vorzugsaktien zu einem Discount-Preis erwerben können. Damit hat Standard Life den ehemaligen Mitgliedern beim Börsengang die Treue gehalten.
(Börsen-Zeitung, 11.7.2006)
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