Börsen-Zeitung: Das bisschen Verlust, Kommentar von Bernd Weber zur Gewinnwarnung von DaimlerChrysler
Frankfurt (ots)
Dass es bei Chrysler so schlimm aussieht, hat bis auf die engste Führungsspitze im Welt-Autokonzern DaimlerChrysler wohl niemand gewusst. Und dass Konzernlenker Dieter Zetsche in Peking bei einer Werkseröffnung mit freundlich-freudigem Gesicht Arbeiterhände schüttelt und von rasantem Absatzwachstum im Reich der Mitte redet, während auf der anderen Seite des Globus Chrysler mit einer Hiobsbotschaft aufwartet, ist wahrscheinlich purer Zufall. Oder geschickte Kommunikation nach dem Motto: Seht her, in den Wachstumsmärkten brummt's für uns. Bei so einem großen Laden läuft es halt nicht immer und an allen Stellen reibungslos.
So gar nicht zufällig scheinen dagegen die Probleme, die Chrysler ertragsmäßig in diesem Jahr in die Tiefe stürzen lassen. Auch als Zetsche Chrysler-CEO war, wurde - bevor ihm der Turnaround beim US-Autobauer gelang - von Preisschlachten auf dem amerikanischen Markt und der mangelnden Attraktivität der Produkte gesprochen. Insofern könnte die Gewinnwarnung vom Freitag auch aus dem Jahr 2003 stammen. Dass Chrysler 2004 und 2005 dann unter Zetsche operativ kräftige Gewinne auswies, mag die Investoren für das kommende Jahr hoffen lassen, zumal gerade eine Produktoffensive gestartet wurde, die der Abwendung der Amerikaner von spritschluckenden Geländewagen und Pick-ups Rechnung tragen soll.
Bedenklich stimmt im Zusammenhang mit der Gewinnwarnung, dass man erst Ende Juli die Öffentlichkeit mit dem Hinweis überraschte, Chrysler werde im dritten Quartal einen operativen Verlust von "bis zu" 500 Mill. Euro erleiden. Gerade einmal gut sechs Wochen später hat sich die Verlustprognose mindestes mehr als verdoppelt. Schwer vorstellbar, dass der Markt in so kurzer Zeit so stark gegen Chrysler gelaufen sein soll.
Es darf gefragt werden, ob das neue operative Jahresziel von 5 Mrd. Euro lange hält. Risiken aus dem Engagement bei EADS mit den dortigen Problemen beim A380 sind nicht berücksichtigt, und das positive Ergebnis bei Chrysler im vierten Quartal erscheint noch viel stärker als Hoffnungwert. Hatte Zetsche sein Amt nicht mit dem Hinweis angetreten, künftig transparenter zu agieren? Davon kann im Moment kaum die Rede sein. Denn Zetsches Auftritte folgen eher dem Motto: Alles ist gut, Probleme haben andere, wir nicht.
(Börsen-Zeitung, 16.9.2006)
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