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Börsen-Zeitung: "Wachsamkeit" in Dublin, Kommentar zur Geldpolitik im Euroraum von Jürgen Schaaf

Frankfurt (ots)

Die EZB-Beobachter fiebern der auswärtigen
Sitzung des Rates der Europäischen Zentralbank (EZB) entgegen. Wenn 
der oberste Währungshüter im Euroraum, Jean-Claude Trichet, am 
Donnerstag um 14.30 Uhr in Dublin vor die Presse tritt, werden 
Journalisten und Analysten an seinen Lippen hängen.
Jedoch wird der Neuigkeitsgehalt dessen, was Trichet zur näheren 
Zukunft der Geldpolitik im Euroraum sagen wird, gering sein. Im 
breiten Konsens erwarten Marktteilnehmer, dass die EZB das Zinsniveau
am Donnerstag bei 3,75% belässt und mit verbalen Hinweisen den Boden 
für einen kleinen Schritt von 25 Basispunkten für die Sitzung am 6. 
Juni bereiten wird.
Trichet und sein Kollegium werden den Teufel tun, diese 
Erwartungen zu enttäuschen. Denn der EZB ist es im laufenden 
Straffungszyklus - der am 1. Dezember 2005 begann und inzwischen 175 
Basispunkte auf dem Buckel hat - gelungen, die Märkte verlässlich auf
ihr zinspolitisches Vorhaben mit Sicht auf ein bis zwei Monate 
vorzubereiten. Überraschungen zu vermeiden und damit Ausschläge an 
den Finanzmärkten ist ein großer Erfolg für eine Notenbank.
Speziell durch die Signalwörter - allen voran die Formulierung 
"starke Wachsamkeit" - weiß man ziemlich genau, woran man in den 
nächsten Wochen ist mit der EZB. Mit dieser Wendung kündigte Trichet 
alle sieben Zinsschritte seit Ende 2005 einen Monat zuvor an.
In dieses Kommunikationskonzept gehört allerdings auch, dass sich 
die EZB am Donnerstag Hinweise auf mögliche weitere Schritte im 
Jahresverlauf verkneifen wird. Da sich die EZB allmählich auf den 
Zinsgipfel zubewegt, dessen Niveau aber von schwer absehbaren, da 
stark schwankenden Größen wie dem Ölpreis, dem Wechselkurs und 
eventuell schlechten Ernten abhängt, wird sie die Flexibilität in 
ihren Entscheidungen nicht vorzeitig aufgeben. Die Prognosen zu 
Wachstum und Inflation im Euroraum stehen erst wieder im Juni an. Sie
liefern einen guten Eindruck vom Handlungsbedarf der Geldpolitik, 
wenn auch nicht vom genauen Zeitpunkt.
Die Währungshüter sind in der komfortablen Situation, Daten 
sammeln zu können und erst wieder in einigen Monaten entscheiden zu 
müssen, ob das Signal der Wachsamkeit auch jenseits der 
4-Prozent-Marke noch mal blinken muss. Mehr als "starke Wachsamkeit" 
ist daher in Dublin nicht zu erwarten.

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