Weser-Kurier: Zu US-Präsident Barack Obamas Rede zur Lage der Nation schreibt der Bremer WESER-KURIER:
Bremen (ots)
Am neuen Redenschreiber wird es nicht gelegen haben. Es war eine Rede zur Lage der Nation, die für US-amerikanische Verhältnisse ausgesprochen nüchtern ausfiel, bis auf die emotionalen Sätze am Ende, als der Staatschef über den Waffenwahn sprach. Ansonsten fehlte der große, inspirierende, pathetische Ton, wie ihn US-Präsidenten meistens anschlagen, wenn sie sich an beide Häuser des Parlaments wenden. Keine einzige Passage dürfte Eingang in Rhetoriklehrbücher finden, aber das war auch nicht der Zweck der Übung. Worum es ging, hat Obama in schlichter Prosa mehrfach wiederholt: "Lasst es uns tun." Eine Einwanderungsreform steht auf dem Plan, Waffengesetze, Klimanovellen, ein höherer Mindestlohn, die Modernisierung der veralteten Infrastruktur, die Verschrottung von Atomraketen, eine transatlantische Freihandelszone. Eine dichte Agenda, und nur durchzusetzen, wenn der Kongress nicht Sand ins Getriebe streut. Will Obama Nägel mit Köpfen machen, muss er sich mit den Republikanern einigen, denn an der parlamentarischen Kräftebalance hat sich trotz seines Sieges im November nichts geändert. Was er jetzt formulierte, war eine Art Maximalprogramm für seine zweite Amtszeit. Eine Wunschliste der Demokraten, wenn man so will. Der erste Schachzug einer langen Partie. Kein Zweifel, Obama erhöht den Druck. Seine Wiederwahl hat sein Selbstbewusstsein gestärkt, dem Kraftakt der Gesundheitsreform sollen die nächsten Meilensteine folgen. Der Mann möchte in die Geschichtsbücher eingehen. Dazu will er nicht nur den Schwung seines Sieges nutzen, sondern auch eine gewisse Nachdenklichkeit in den Reihen der Konservativen, denen allmählich dämmert, dass pragmatische Wechselwähler eine betonharte Totalopposition keineswegs schätzen. Der Präsident sieht ein offenes Fenster, das sich vielleicht bald wieder schließt. Falls echte Reformen überhaupt machbar sind, müssen sie in diesem Jahr angepackt werden - im nächsten lassen die fälligen Kongresswahlen die Fronten schon wieder verhärten. Seinen Wunschzettel hat der Präsident klar formuliert. Nun beginnt das Klein-Klein des Feilschens um Kompromisse.
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