Weser-Kurier: Kommentar von Thorsten Waterkamp über Werder Bremens Umgang mit der Krise
Bremen (ots)
Die Wahrheit tut manchmal weh, wenn man ihr ins ungeschminkte Antlitz sieht. Also Augen zu und durch - oder hier ein bisschen Rouge und dort ein bisschen Puder, um den Anblick erträglicher zu machen. Werders Trainer, Werders Profis und auch viele, viele Fans haben gestern tief in den Schminktopf gegriffen, um der düsteren Gegenwart noch eine schöne Seite abzugewinnen. Das ist Realitätsverweigerung. Werder ist Schlusslicht der Fußball-Bundesliga, nach sieben Spieltagen immer noch sieglos und selbst der Konkurrenz aus Freiburg fußballerisch unterlegen. Die Perspektive? Bescheiden. Weshalb sich Verantwortliche schon jetzt, nach gerade mal einem Fünftel der Saison, in Durchhalteparolen flüchten. Robin Dutt zum Beispiel. Der Tabellenplatz habe "nullkommanull mit unserer Leistung zu tun", hat der Cheftrainer gestern gesagt. Ja bitte, womit denn dann? Mit fehlendem Glück etwa? Und dann kam auch noch Pech dazu? Zur Erinnerung: In drei von vier Spielen, die unentschieden endeten, durften sich die Bremer überhaupt noch zu einem Remis kämpfen, weil die Gegner zuvor den Sack schlichtweg nicht zugemacht hatten. Nein, Ursache ist die mangelhafte sportliche Qualität des Kaders - er scheint nur bedingt erstligatauglich zu sein. Ablesbar ist das an vielen kleinen und großen individuellen Fehlern, die sich im Laufe einer Partie summieren und irgendwann - mit erwartbarer Zwangsläufigkeit - vom Gegner bestraft werden. Dutt muss damit leben, einen Vorwurf kann man ihm aus der Besetzung des Kaders kaum konstruieren. Für mehr war eben kein Geld da, und so taumelt Werder durch die Liga. Nur schönreden sollte weder er noch sonst wer die Bremer Situation. Werder steht - und das soll an dieser Stelle keine Schwarzmalerei, sondern eine nüchterne Feststellung sein - kurz vor dem Abgrund. Das an sich ist schon schlimm genug. Aber wer glaubt, mit dem letzten Platz wäre das Ende des seit Jahren währenden Schreckens nun endlich erreicht, der irrt womöglich gewaltig. Ein Absturz in die Zweitklassigkeit wäre für Werder angesichts der eigenen wirtschaftlichen Lage existenzbedrohend. Das ist die ungeschminkte Wahrheit.
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