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Rheinische Post: Merkel, die Gipfelstürmerin

Düsseldorf (ots)

Von Anja Ingenrieth
Mission erfüllt: Politik als Kunst des Möglichen - die Methode 
Merkel hat wieder einmal funktioniert. Ultrapragmatisch entschied 
sich die Ratsvorsitzende im Streit um einen Grundlagen-Vertrag für 
das Machbare  statt mit dem Wünschenswerten zu scheitern. Genau das 
war für die Berliner Kanzlerin kleiner Schritte der Schlüssel zum 
großen Erfolg als Europas Reform-Retterin. Hinzu kamen Strategie und 
eine kluge Gipfel-Regie: Merkel fand die richtige Mischung zwischen 
verhandeln und führen - agierte als Moderatorin und Machiavella. So 
erzwang sie energisch und zielstrebig einen Kompromiss auf kleinem 
gemeinsamen Nenner, der trotzdem das Wesentlichste der gescheiterten 
Verfassung erhält. Mehr war nicht drin, und selbst das schien lange 
Zeit zu viel.
Der Nachteil: Die Gemeinschaft bleibt im Kleingedruckten stecken, im 
Europa der Eliten, der nationalen Egoismen, der Fußnoten und 
Fußangeln. Nach jahrelangen Auseinandersetzungen, Konventen und 
Regierungskonferenzen steht am Ende wieder kein Grundgesetz, das 
Europa eine Seele und Symbole gibt, es zur Sache der Bürger macht. 
Die Gemeinschaft bekommt nur ein weiteres Mammut-Paragrafenwerk.
Der Vorteil: Dieser Reform-Vertrag hat gerade wegen der so 
abgespeckten Ansprüche beste Chancen auf Realisierung. Er bringt 
viele Fortschritte, die die Gemeinschaft demokratischer, effizienter 
und handlungsfähiger machen: von einklagbaren Grundrechten über 
gestärkte Parlamente bis hin zu einem Außenminister und weniger 
Blockademöglichkeiten bei Entscheidungen im Rat. Das ist viel mehr 
als nichts - wenn auch lange nicht genug.
Das wichtigste Signal vom Wochenende heißt: Die Union beschäftigt 
sich künftig wieder mit Sachthemen statt mit sich selbst. Europa 
erwacht aus der Schockstarre, in die es nach den gescheiterten 
Verfassungs-Referenden gefallen war. Seine innere Generalüberholung 
ist eingeleitet. Die 27 Staats- und Regierungschefs haben die 
institutionelle Grundlage für eine stärkere Gemeinschaft gelegt - die
im Kampf gegen Terroristen effektiver handeln, ihre ehrgeizigen 
Klima- und Energieziele umsetzen, auf die Herausforderungen der 
Globalisierung angemessen reagieren und neue Länder aufnehmen kann.
 Bessere Ergebnisse bedeutet das noch lange nicht. Dafür ist der 
politische Wille zur Gemeinsamkeit entscheidend. Und was den 
betrifft, lässt der jüngste Gipfel des Geschachers um nationale 
Vorteile nichts Gutes erahnen. "Auswärts"-Angie geht nach ihrem 
Endspiel als EU-Ratsvorsitzende jedenfalls als Siegerin vom Platz. 
Innenpolitisch jedoch wird das der Kanzlerin wenig nützen. Will sie 
dort punkten, muss sie daheim die gleichen Stärken ausspielen wie 
beim Gipfel-Sturm in Brüssel.

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Rheinische Post
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