Rheinische Post: Alle Jahre wieder
Düsseldorf (ots)
von Horst Thoren
Seit Jahren sucht Deutschland den "Superstar" immer wieder. Nach fragwürdigen Kriterien wird ein Supertalent ausgemacht, dessen Ruhm zumeist nach ein paar Wochen wieder verglüht ist. Warum? Die Kandidaten haben gar keine echte Chance, sich zu entwickeln und sich durch beständige Leistung zu beweisen. Denn Beständigkeit scheint in der Spaßgesellschaft nicht gefragt zu sein. Doch angesichts der Krise macht sich Ernüchterung breit. Schon beschwören alle - die Politiker vorne weg - immer lauter eine "Nachhaltigkeit". Das macht deutlich, dass der Mensch sich letztlich immer nach Sicherheit und Geborgenheit sehnt - und verlässliche Werte braucht, die sein Handeln bestimmen. Die Wirtschaftskrise tut so weh, weil sie Vertrauen vernichtet hat - nicht nur das Vertrauen in Banken und Manager. Was hat uns die Weihnachtsgeschichte dazu zu sagen? Wenn das keine Krise war, in der Maria und Josef steckten: Sie ist hoch schwanger, er ist nicht der leibliche Vater des Kindes. Unterwegs in einer fremden Stadt, kein Platz in der Herberge. Die Geburt Jesu stand - rein sachlich - unter keinem guten Stern. Und doch sind sich Maria und Josef sicher, fühlen sich im Stall geborgen. Und ausgerechnet der Heilige Josef - nach heutigen TV-Kriterien bestenfalls in einer Nebenrolle - wird zur zentralen Figur für die Frage nach Gottvertrauen und Verantwortung. Er steht fest zu seiner Verlobten. Er nimmt die Aufgabe an, "Vater" zu sein - auf die Gefahr hin, verspottet und gesellschaftlich geächtet zu werden. Er ist fürsorglicher Beschützer, bei der Geburt im Stall, bei der Flucht nach Ägypten - sein Leben lang. Die heilige Familie als Vorbild für uns? Das scheint zu viel verlangt in einer Gesellschaft, in der es an Vorbildern mangelt, in der viele junge Menschen vor fester Bindung zurück schrecken und Kinder ihren Lebensweg in der "Babyklappe" beginnen. Dabei kann auch heute noch Familie die feste Größe sein, die hilft, das Leben zu meistern und Krisen zu überstehen. Das haben unsere Eltern und Großeltern erfahren, als sie in Kriegs- und Hungerjahren besonderen Halt brauchten. Sie fanden ihn aneinander. Und im gemeinsamen Glauben an die Frohe Botschaft der Weihnachtsgeschichte, die ja Ausdruck einer immerwährenden Hoffnung ist. Auf Gott, den Vater - und den Sohn. Aber nur, wer diese Geschichte kennt, kann sich an ihr aufrichten. In einer Radioumfrage beantwortete jüngst ein Jugendlicher die Frage nach der Gottesmutter so: "Maria ist die Frau des Papstes." Kein Einzelfall. Zwar zieht es zu Weihnachten ein Drittel der deutschen Christen in die Gotteshäuser, doch die Glaubensferne wächst stetig. Die Zahl der Kirchenaustritte ist deutlich gestiegen. Viele Menschen befriedigen ihre spirituelle Sehnsucht in diffuser Esoterik. Der Bedarf an Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit ist auch ein Bedarf an Glauben. Es fehlt jedoch an überzeugenden Missionaren. Innerhalb und außerhalb des umfriedeten Gemeindegeländes. Eine Aufgabe nicht nur für professionelle Seelsorger - sondern für alle, die die stärkende Kraft des Glaubens spüren und den Mut haben, sich zu ihrer Überzeugung zu bekennen. Auch zu "Jesus Christ Superstar", der seine Beständigkeit nicht mehr beweisen muss. Er kommt ja alle Jahre wieder. An Heiligabend.
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