Rheinische Post: Den Menschen zugewandt Kommentar Von Reinhold Michels
Düsseldorf (ots)
In einer seiner vielen Denk-, besser Nachdenk-Schriften formulierte Joseph Ratzinger, lange bevor er zum Papst gewählt wurde, über die ansteckende Krankheit Aids: Wer wie die Kirche zu sagen wage, die Menschen sollten sich von einem ordnungslosen sexuellen Libertinismus lösen, der Aids erst seine Durchschlagskraft gebe, werde als hoffnungsloser Obskurantist ins Abseits gestellt. Aus dieser Ausgrenzung, die Kritiker gerne zur Kaltstellung Roms nutzen möchten, will Benedikt XVI. die Weltkirche bedachtsam herausführen. Dazu macht er den Menschen zugewandte, allerdings reichlich späte Klarstellungen zum verantwortungsbewussten Kondom-Gebrauch. Jede Politik, auch Kirchenpolitik, beginnt mit dem Betrachten der Realität, auch was Sexualität betrifft. Wie konnte man, was andere vor Krankheit schützt, moralisch überhaupt verwerfen? Bevor nun "die plärrende Welt des Entertainments" (Wolfram Weimer) juchzt und den Papst als einen der Ihren missversteht: "Die Moral, die die Kirche lehrt, ist keine Speziallast für Christen, sondern sie ist die Verteidigung des Menschen gegen den Versuch seiner Abschaffung" (Ratzinger, 1991). "Ecclesia semper reformanda", die Kirche muss sich immer wieder reformieren. Das ja. Aber sie bleibt uns allen hoffentlich als die große Widerständige, die Konservative im besten Sinne erhalten.
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