Rheinische Post: Narren-Herrschaft
Düsseldorf (ots)
Jetzt herrscht Revolution! Denn wer rheinisches Brauchtum ernstnimmt, darf den Sturm der Narren auf unsere Rathäuser durchaus als Machtwechsel begreifen. Sicher, das jecke Gerangel ist bloß zum Lachen - doch wurde zuletzt mancherorts aus solcher Bierseligkeit Bierernst: In Duisburg wählte das Volk den Bürgermeister ab, in Stuttgart setzte das Volk den Bau seines neuen Bahnhofs durch. Volkes Stimme hat Gewicht; Rousseau meinte gar, dass sie die Stimme Gottes sei. Wächst hierzulande also wieder der plebiszitäre Einfluss? Erleben wir den Wandel von der repräsentativen zur direkten Demokratie? Gemach. Tatsächlich ist der anscheinend immense Einfluss begrenzt: Dem Volk fehlt die Möglichkeit zur Beratung; eine Meinungsbildung findet kaum statt. Zudem bekommt es die Entscheidungen letztlich immer nur gestellt, also regelrecht vorgesetzt. Und überhaupt: Wer und was ist eigentlich "das Volk"? Seine vermeintliche Herrschaft dient der Demokratie darum vor allem als Ventil; die jetzige Herrschaft der Narren aber als ihre Legitimation. Weil nach den jecken Tagen und dem Treiben traditionell dieses Urteil über die närrischen Herrscher gefällt wird: Sie können's einfach nicht. Und auch das ist eine Botschaft des staatstragenden Karnevals.
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