Rheinische Post: Syrien und Russland müssen Farbe bekennen = Von Matthias Beermann
Düsseldorf (ots)
Es sieht aus wie ein genialer Schachzug: Syrien liefert seine C-Waffen ab, dafür fällt der angekündigte US-Militärschlag gegen das Assad-Regime aus. Den gewaltigen Seufzer der Erleichterung, der nach dem russischen Vorschlag durch die westlichen Staatskanzleien zog, dürfte man bis Damaskus gehört haben. Eine mögliche Strafaktion gegen Assad wegen des Giftgaseinsatzes gegen die Zivilbevölkerung war schließlich nirgendwo populär. Der zynische Wladimir Putin, der seinem mordenden Verbündeten Assad bisher den Rücken freihielt, kann sich plötzlich als Friedensfürst feiern lassen. Und Barack Obama, dem bei einer Abstimmung im Kongress über den geplanten Militärschlag eine für den Rest seiner Amtszeit möglicherweise fatale Niederlage drohte, bietet sich jetzt ein unverhoffter politischer Notausgang. Der Triumph der Diplomatie hat freilich seinen Preis. Denn als großer Gewinner steht bisher nur einer fest: Baschar al Assad. Mit Verhandlungen über sein Giftgas-Arsenal kann der Diktator den für sein Regime bedrohlichen Militärschlag erst einmal verzögern, ihn womöglich sogar ganz abwenden. Besser noch: Er zementiert in dieser Rolle als Ansprechpartner für die internationale Gemeinschaft vermutlich auf Jahre seinen Herrschaftsanspruch. Wer sonst in Syrien sollte die Vernichtung der chemischen Kampfstoffe garantieren? Dabei ist noch nicht einmal klar, ob Assad sein Teufelszeug wirklich vollständig abliefern will. Der bisherige Umgang des Regimes mit UNO-Kontrolleuren spricht nicht gerade dafür, und das Beispiel der Atomverhandlungen mit dem Iran zeigt, wie lange man die Weltgemeinschaft an der Nase herumführen kann. Genau das darf jetzt nicht passieren. So verständlich die Erleichterung darüber ist, dass ein Militärschlag mit unklaren Zielen und noch unklareren Auswirkungen vermieden werden kann, so inakzeptabel wäre es, wenn Assad mit einem Bluff davonkäme. Deswegen muss Syrien jetzt liefern, und Russland muss ebenfalls Farbe bekennen. In einer UN-Resolution könnte die Vernichtung der syrischen C-Waffen festgeschrieben werden. Für den Fall der Nichterfüllung der Auflagen müsste der Sicherheitsrat Zwangsmaßnahmen beschließen - militärische eingeschlossen. Wenn Moskau sich wieder querstellt, wäre das der endgültige Beleg dafür, dass alle UNO-Konventionen gegen Kriegsverbrechen das Papier nicht wert sind, auf dem sie stehen.
Pressekontakt:
Rheinische Post
Redaktion
Telefon: (0211) 505-2621
Original-Content von: Rheinische Post, übermittelt durch news aktuell