Rheinische Post: Kommentar
Noch nicht verloren
= Von Alev Dogan
Düsseldorf (ots)
Fassungslos machen einige Ergebnisse der Mitte-Studie: dass jeder Zehnte meint, es gebe "wertvolles und unwertes Leben" oder dass jeder Dritte gleiche Rechte für alle infrage stellt. Dass die Hälfte der Deutschen Vorbehalte gegenüber Flüchtlingen hat, erscheint da geradezu mild. Als sei das eine akzeptable politische Einstellung, wohingegen die unterschiedliche Bewertung von Menschenleben nur noch faschistisch ist. Wie weit aber sind sie voneinander entfernt: jene mit einer Aversion gegen Asylsuchende und jene, die gleiche Rechte für alle infrage stellen? Jeder Zweite müsste sich fragen, was er gegen Flüchtlinge - nicht Asylpolitik - hat. Jeder, den die Ergebnisse beunruhigen - und sie sollten jeden beunruhigen - sollte sich in der Pflicht sehen, Zivilbürger mit Courage zu sein. Mit allen reden, ja, aber auch jede Entgleisung so zu benennen und Stellung zu beziehen gegen Diskriminierung, Hass und Hässlichkeit.
Beim Titel "Verlorene Mitte" muss der Studie widersprochen werden. Die gesellschaftliche Mitte ist vielleicht orientierungslos, am ehesten gefordert - verloren ist sie hoffentlich noch nicht.
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