Rheinische Post: Kommentar
Sicherheitsarchitektur muss auf den Prüfstand
= Von Gregor Mayntz
Düsseldorf (ots)
Welche Dimension das Rechtsextremismusproblem in Deutschland angenommen hat, wird durch den Waffenfund im Versteck des mutmaßlichen Lübcke-Mörders klar: Da lag nicht nur die Pistole, mit der offenkundig der Kasseler Regierungspräsident erschossen wurde. Da lagen auch eine Pump-Gun und eine Maschinenpistole. Von diesem Befund bis zu den Szenarien von Anschlägen mit vielen Toten ist es nicht weit. Während die Sicherheitsbehörden sich international mit den Diensten anderer Länder so gut vernetzten, dass sie einen Anschlag islamistischer Terroristen nach dem anderen verhindern konnten, haben sich Neonazis in Deutschland offenbar massiv bewaffnet.
Der Mord an Walter Lübcke muss deshalb zur Überprüfung der Sicherheitsarchitektur führen. Der zahlenmäßig größere Linksextremismus, die wiederholten, lokal fast bürgerkriegsähnlichen Ausschreitungen in Berlin, Frankfurt und Hamburg im Kampf gegen das "System" haben die Sinne für die Gefährdungen der Demokratie an einer Stelle geschärft. Dagegen schienen Bedrohungen durch Glatzen, Springerstiefel und rassistische Musik nebenbei beherrschbar. Waffentraining einschlägiger Neonazis in Osteuropa wurde zwar bemerkt. Doch erst als die Sicherheitsbehörden in Chemnitz letzten Sommer von den Fähigkeiten der rechtsextremistischen Szene überrascht waren, binnen Stunden Tausende zu Protesten auf die Straße zu bringen, begannen die Neuplanungen: Dringend brauchten die Sicherheitsbehörden nun mehr Ermittler und Analysten gegen den Rechtsextremismus.
Ganz offenkundig sind die Konsequenzen aus den jahrelangen Fehlgriffen der Behörden im Zusammenhang mit der NSU-Mordserie nicht rechtzeitig gezogen worden. Nun muss das mit Höchsttempo nachgeholt werden.
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