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Krisenstab und Bundesministerien greifen auf Ergebnisse der Mannheimer Corona-Studie zurück

Krisenstab und Bundesministerien greifen auf Ergebnisse der Mannheimer Corona-Studie zurück

Seit dem 20. März untersucht die Mannheimer Corona-Studie täglich, wie die aktuelle Krise das Leben der Menschen in Deutschland beeinflusst. Das Team um Studienleiterin Prof. Annelies Blom möchte Entscheidungsträgern aus Politik und Wirtschaft fundierte Daten liefern, um Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie sinnvoll zu gestalten. Auch der gemeinsame Krisenstab des Bundesministeriums des Inneren (BMI) und des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG), sowie das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) und das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) greifen jetzt auf die Ergebnisse der Mannheimer Studie zurück.

Die Ergebnisse der Mannheimer Corona-Studie werden zur Erstellung unterschiedlicher Szenarien im gemeinsamen Krisenstab des BMI und BMG genutzt. Neben Informationen zu sozialen Kontakten und zur Akzeptanz verschiedener Maßnahmen in der Bevölkerung, fließen nun auch Informationen aus der Studie zur Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in die Überlegungen mit ein. Darüber hinaus besprechen die Mannheimer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit dem BMAS und dem BiB weitere Analysen, die beispielsweise Rückschlüsse auf durch die Corona-Krise verursachte Ängste und Sorgen in verschiedenen Gesellschaftsgruppen zulassen. Die Zusammenarbeit ist aus einer Besprechung zum Schwerpunktbericht vergangener Woche entstanden. "Ihre Arbeit ist für die Einschätzung der soziologischen und ökonomischen Wirkungen sehr wertvoll", so Ministerialdirigent Ralf Göbel zu Professorin Blom.

"Als wir beim Ausbruch der Krankheit in Deutschland innerhalb weniger Tage mit der Mannheimer Corona-Studie reagiert haben, wollten wir den Einfluss der Pandemie und der getroffenen Maßnahmen auf die Gesellschaft aufzeigen", so Blom. Das Ziel dabei: Aus dem Elfenbeinturm der Wissenschaft herauszutreten und zeitnah Ergebnisse für wichtige Entscheidungen liefern. "Wenn wir unsere Datenerhebungen und Berichte den Bundesministerien zur Verfügung stellen können, kommen wir dem Ziel der Studie einen großen Schritt näher", fasst Blom zusammen.

Der Faktor Mensch ist wichtig

Wie wichtig es ist, die Situation vieler verschiedener gesellschaftlicher Gruppen zu berücksichtigen, belegen die jüngsten Berichte der Studie. Denn die Studie gibt selbst kleine Verschiebungen in der Meinung der Bevölkerung von Woche zu Woche exakt wieder: Während noch vor drei Wochen über die Hälfte der Befragten eine allgemeine Ausgangssperre für angemessen hielt, fiel die Akzeptanz dieser strikten Maßnahme stetig auf inzwischen knapp 30 Prozent am gestrigen Mittwoch. Zugleich beobachten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine Zunahme an Treffen mit Freunden und Verwandten, nachdem die Menschen ihre persönlichen Kontakte in den ersten Wochen der Pandemie stark eingeschränkt hatten. Blom vermutet, dass in diesem Prozess die Kommunikation der Politik an die Bevölkerung eine wichtige Rolle spielt. "Die Uneinigkeit in der Politik zur Weiterführung oder Lockerung der getroffenen Maßnahmen scheint die Menschen zu verunsichern", mutmaßt die Studienleiterin. Denn die Einschränkungen sind für viele Menschen ein schwer zu bewältigender Eingriff.

Unzuverlässige Daten schaden besonders in Krisenzeiten

Tatsächlich konnte bisher nur die Mannheimer Corona-Studie täglich verlässliche Daten zur allgemeinen Bevölkerung liefern. Denn dafür benötigt man drei Bestandteile: eine Zufallsstichprobe, Informationen zum Leben der Menschen vor Corona und eine Infrastruktur, die eine schnelle Datenerhebung erlaubt. Über diese drei Bestandteile verfügt die Mannheimer Corona-Studie, da sie auf der Infrastruktur des 2012 ins Leben gerufenen German Internet Panel am Sonderforschungsbereich 884 "Politische Ökonomie von Reformen" aufbaut.

Die Zufallsstichprobe und wichtige Informationen zur vorherigen Situation haben auch andere renommierte Studien, wie das Sozio-Ökonomische Panel, das Nationale Bildungspanel, die Gender and Generations Study, oder das GESIS-Panel. Ihre Methodik erlaube allerdings nicht die Geschwindigkeit, die in den vergangenen Wochen benötigt wurde, so Blom.

Umfragen kommerzieller Institute erlauben dagegen keine verlässlichen Rückschlüsse auf die Bevölkerung: "Nur ein Bruchteil der in den Medien angeführten Zahlen beruhen auf einer Zufallsstichprobe der allgemeinen Bevölkerung", so die Mannheimer Wissenschaftlerin. Stattdessen nutzen sie Online-Befragtenpools, für die sich die Teilnehmer selbst anmelden. "Seriöse Studien ziehen eine Zufallsstichprobe, die Menschen verschiedenster Hintergründe aus allen Regionen Deutschlands erfasst", erklärt Blom weiter. "Diese Genauigkeit können Online-Befragtenpools nicht gewährleisten." Auch wenn viele kommerzielle Meinungsforscher behaupten, dass ihre Umfragen "repräsentativ" seien, können sie nur das Leben internet-affiner, politisch-interessierter und gebildeter Menschen mittleren Alters abbilden. Diese sind aber gerade der Teil der Bevölkerung, der am wenigsten von den negativen Folgen der Krise betroffen ist.

Viele Wissenschaftler nutzen derartige Daten jedoch und informieren damit sogar den Krisenstab der Regierung. In gewöhnlichen Zeiten sei der mögliche Schaden unzuverlässiger Daten überschaubar, in Krisenzeiten seien sie aber besonders gefährlich: "Wenn wir nicht genau wissen, wie es der Bevölkerung wirklich geht, steuern wir auf ein gesellschaftliches und wirtschaftliches Desaster zu", warnt Blom.

Die Methodik der Mannheimer Corona-Studie in Kurzfassung

Die Studie baut auf der Methodik und Infrastruktur des German Internet Panels (GIP) auf. Das GIP basiert auf einer Zufallsstichprobe der allgemeinen Bevölkerung in Deutschland und wird seit 2012 regelmäßig durchgeführt. Für die Mannheimer Corona-Studie wurde die GIP-Stichprobe in zufällige Substichproben unterteilt, die jeweils einem anderen Wochentag zugeordnet wurden. An jedem Wochentag wird daher ein zufälliger Teil des GIP befragt.

Innerhalb einer Woche bleibt der Fragebogen genau gleich. Auch über die Wochen hinweg, werden die Fragebögen möglichst konstant gehalten, um eine tägliche Fortschreibung der Ergebnisse über einen langen Zeitraum zu erlauben. Die Studie möchte aber auch tiefergehende Schwerpunktanalysen zu ausgewählten Themen durchführen und unvorhergesehene Ereignisse abdecken. Dazu wird der Fragebogen jede Woche evaluiert und für die nächste Woche aktualisiert.

Links:

Kontakt: 
Prof. Annelies Blom, Ph.D.
Leiterin der Mannheimer Corona-Studie
Leiterin des German Internet Panels
Professorin für Data Science
Universität Mannheim
E-Mail:  blom@uni-mannheim.de   
Yvonne Kaul
Forschungskommunikation
Universität Mannheim
Tel. +49 174 3146512
E-Mail:  kaul@uni-mannheim.de 
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