Wissenschaftliches Institut der AOK
Einsparreserven von 1,7 Mrd. EURO blieben bei Arzneimitteln im 1.
Halbjahr 2002 ungenutzt
Aktuelle Zahlen belegen: Ärzte nutzen hohe
Wirtschaftlichkeitspotenziale bei der Verschreibung nur unzureichend
Bonn (ots)
Die Zielvereinbarungen, in denen sich die Ärzte zur Senkung der Arzneimittelausgaben verpflichtet hatten, haben offensichtlich keine marktrelevante Wirkung entfaltet. Die durch Verordnung preiswerter Generika und Verzicht auf teure Analogpräparate im Gesamtmarkt erzielbaren Einsparpotenziale lagen in den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres mit rund 1,7 Mrd. EURO weiterhin auf sehr hohem Niveau. Damit hätten 15,2 % der gesamten Fertigarzneimittelausgaben eingespart werden können, wenn die Ärzte bei ihren Verschreibungen konsequent auf Wirtschaftlichkeit und Qualität gleichermaßen geachtet hätten. Weitere Einsparpotenziale durch Verzicht auf und Substitution bei umstrittenen Arzneimittel, die im Arzneiverordnungs-Report ausgewiesen werden, sind in dieser Zahl noch nicht enthalten.
Ausgaben in Höhe von 911 Mio. EURO hätten bereits vermieden werden können, indem statt teurer Originalpräparate preisgünstige Zweitanbieter-Produkte mit demselben Wirkstoff (so genannte Generika) abgegeben worden wären. Die Preisunterschiede zwischen den einzelnen Herstellern grenzen oft ans Absurde. So kostet beispielsweise eine 100-Tabletten-Packung des Herzmittels Bayotensin(R) mit dem Wirkstoff Nitrendipin 60,61 EURO, während identische Produkte anderer Hersteller bereits für 9 EURO erhältlich sind. Allein bei diesem einen Wirkstoff hätten sich im ersten Halbjahr bereits rund 10 Mio. EURO einsparen lassen.
Weitere erhebliche Unwirtschaflichkeiten bestehen bei den Scheininnovationen. Nachdem ein forschendes Unternehmen einen innovativen Wirkstoff entwickelt hat, springen oft andere Hersteller mit nachahmender Forschung auf den Zug auf und entwickeln Wirkstoffe, die nur minimal anders beschaffen sind. Diese Me-too-Wirkstoffe bringen in der Regel keine Fortschritte in der Therapie mit sich. Unverständlicherweise werden sie jedoch oft zu exorbitanten Preisen angeboten. Ein typisches Me-too-Produkt wie Norvasc liegt im Preis um 570 % über dem von Nitrendipin-Generika, obwohl Studien darauf hindeuten, daß es diesen therapeutisch sogar eher unterlegen ist (siehe Arzneiverordnungs-Report 2002).
Ohne Verlust an Umfang und Qualität der Versorgung für die Patienten addieren sich die ungenutzten Potenziale durch generische Substitution und Substitution bei Analogpräparaten auf rund 1,7 Mrd. EURO für das erste Halbjahr. Dabei bestehen erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Regionen in Deutschland. Insbesondere in den östlichen Bundesländern sind hohe Reserven anzutreffen. Am höchsten liegt hier Brandenburg mit einem Potenzial von 18,0 % der Fertigarzneimittelausgaben, während die Wirtschaftlichkeitsreserve in Hamburg 12,4 % beträgt.
Die Studie steht im Internet unter http://www.wido.de/Aktuelles/AM_1Hj_2002.pdf zum Download bereit.
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