Zur Zukunft der Statistikausbildung Forderungen aus der Praxis an die Ausgestaltung der Bachelor- und Master-Studiengänge der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften
Wiesbaden (ots)
Als Folge der Bologna-Erklärung zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Hochschulraums, die von Wissenschaftsministern aus 45 europäischen Ländern unterzeichnet wurde, werden gegenwärtig an Fachhochschulen und Universitäten Bachelor- und Master-Studiengänge eingeführt. Die gestuften Studiengänge sollen bis 2010 das Regelangebot an deutschen Hochschulen darstellen. Lehre und Studium verändern sich in allen Disziplinen, was auch eine Neuausrichtung der Statistikausbildung zur Folge hat.
Die aktuellen Entwicklungen betrachten wir mit Sorge, weil nach unserer Beobachtung der Statistikgrundausbildung in den Curricula für die einschlägigen Bachelor-Studiengänge nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt wird und sie teilweise ganz in die Master-Stufe verlagert wird. Wir befürchten, dass gerade in den berufsqualifizierenden Bachelor-Studiengängen für die Wirtschafts-, Markt- und Sozialforschung wichtige Methodenqualifikationen nicht ausreichend vermittelt werden.
Die Ausbildung in den Bachelor-Studiengängen der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften sollte zumindest Grundkenntnisse der Wirtschafts- und Sozialstatistik vermitteln. Durch praxisorientierte Problemstellungen einerseits und durch aktive und kreative Teilnahme an der Lösung der Fragestellungen andererseits sollten die Studierenden auf ihren Übergang in die Arbeitswelt vorbereitet werden. Um dies fruchtbar zu gewährleisten, dürfen die theoretischen Grundlagen nicht vernachlässigt werden, sondern sie sollten zielbezogener, als dies in den Diplomstudiengängen häufig der Fall ist, vermittelt werden. Die bislang vernachlässigten Themen Datenerhebung, Aufbereitung und Auswertung der Daten, Datenschutz und Datenqualität sollten neben den theoretischen Grundlagen (zum Beispiel Messtheorie) bei den Studieninhalten unbedingt berücksichtigt werden. Statistische Methoden sollten unter der Verwendung von echten Daten gelehrt werden, wobei das erworbene theoretische Wissen möglichst in kleinen Projekten oder empirischen Praktika vertieft werden sollte.
In den Master-Studiengängen sollten neue Schwerpunktfächer wie Empirische Wirtschaftsforschung oder Wirtschaftsstatistik geschaffen werden, damit Qualifikationen, die früher in den Wahlfächern Statistik und Ökonometrie erworben wurden, weiter vermittelt werden.
Eine solide Statistikausbildung nimmt im Studium der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften eine zentrale Stellung ein, weil in ihr der Umgang mit Informationen, die Basis der Wissensgesellschaft sind, vermittelt wird. Dies setzt allerdings voraus, dass nicht nur formale Methoden gelehrt werden, sondern der gesamte statistische Produktionsprozess von der Operationalisierung einer Fragestellung über die Arbeiten zur Vorbereitung und Durchführung einer Erhebung bis hin zur Datenanalyse und zur Entscheidungsvorbereitung Gegenstand der Ausbildung ist. Ein an den Problemen der Praxis ausgerichtetes Studium verbessert die Berufsaussichten der künftigen Studienabgänger nachhaltig.
Diese Stellungnahme wird unterstützt von (in alphabetischer Reihenfolge):
Prof. Dr. Thomas Bauer Mitglied des Vorstandes des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung e.V. (RWI)
Prof. Dr. rer. pol. habil. Ulrich Blum Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle
Thilo Börner Statistisches Landesamt des Freistaates Sachsen ver.di-Hauptverwaltung im Statistischen Beirat
Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Wolfgang Franz Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH (ZEW)
Dr. Hans-Peter Glaab Deutsche Bundesbank
Prof. Dr. Heinz Grohmann Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt (emeritiert)
Johann Hahlen Präsident des Statistischen Bundesamtes
Hans-Joachim Haß Bundesverband der Deutschen Industrie e. V.
Prof. Dr. Ullrich Heilemann Universität Leipzig, Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät Institut für Empirische Wirtschaftsforschung
Prof. Dr. Wim Koesters Mitglied des Vorstandes des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung e.V. (RWI)
Günter Krombholz Präsident des Thüringer Landesamtes für Statistik
Prof. Dr. Peter Michael von der Lippe Universität Duisburg-Essen, Campus Essen FB 5 Wirtschaftswissenschaften, Fachgebiet Statistik
Dr. Gisela Meister-Scheufelen Präsidentin des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg
Prof. Dr. Heiner Meulemann Institut für Angewandte Sozialforschung der Universität zu Köln (IfAS) Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Sozialwissenschaftlicher Institute e.V. (ASI)
Prof. Dr. Peter Meusburger Geographisches Institut der Universität Heidelberg Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialgeographie
Prof. Dr. Karl Mosler Universität zu Köln Seminar für Wirtschafts- und Sozialstatistik Vorsitzender der Deutschen Statistischen Gesellschaft (DStatG)
Prof. Dr. Gerd Nufer Professor für BWL mit den Schwerpunkten Marketing und Marktforschung Hochschule Reutlingen - Reutlingen University School of International Business (SIB)
Walter Radermacher Vizepräsident des Statistischen Bundesamtes Stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Statistischen Gesellschaft (DStatG)
Dr. Engelbert Recker Deutscher Landkreistag
Prof. Dr. Ulrich Rendtel Freie Universität Berlin Fachbereich Wirtschaftswissenschaft, Institut für Statistik und Ökonometrie Vorsitzender des Ausschusses Ausbildung und Weiterbildung der Deutschen Statistischen Gesellschaft (DStatG)
Prof. Dr. Ulrike Rockmann Direktorin des Statistischen Landesamtes Berlin
Manfred Scherschinski Präsident des Statistischen Landesamtes Sachsen-Anhalt
Prof. Dr. Irene Schneider-Böttcher Präsidentin des Statistischen Landesamtes des Freistaates Sachsen
Prof. Dr. Christoph M. Schmidt Präsident des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung e.V. (RWI)
Dr. Matthias Schoder Bereich Wirtschaftspolitik, Mittelstand, Innovation Deutscher Industrie- und Handelskammertag (DIHK)
Karl A. Scholz Bundesverband der Freien Berufe
Prof. Dr. Heidemarie Seel Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen
Christiane Siegmund Stellvertretende Geschäftsführerin des Landesbetriebs für Datenverarbeitung und Statistik Brandenburg
Prof. Dr. Heike Solga Georg-August-Universität Göttingen Sozialwissenschaftliche Fakultät Institut für Soziologie
Dr. Hans-Jürgen Völz Volkswirtschaft, Finanzen, Steuern Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände
Prof. Dr. Gert G. Wagner Leiter des SOEP und Forschungsdirektor im DIW Berlin, Inhaber des Lehrstuhls Empirische Wirtschaftsforschung und Wirtschaftspolitik an der TU Berlin, Vorsitzender des Rates für Sozial- und Wirtschaftsdaten
Dr. Peter Weiss Zentralverband des deutschen Handwerks Wirtschafts- und Umweltpolitik
Dr. Robert Weitz Hauptverband des Deutschen Einzelhandels
Prof. Dr. Horst-Dieter Westerhoff Bundeskanzleramt
Prof. Dr. Klaus F. Zimmermann Präsident DIW Berlin, Direktor IZA Bonn und Universität Bonn
Weitere Auskünfte gibt: Dr. Manfred Ehling, Telefon: (0611) 75-2903, E-Mail: manfred.ehling@destatis.de
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