Alan Ball: "Der Tod ist wie ein Familienmitglied"/
Interview mit dem Autor und Produzenten ("American Beauty")
über "Six Feet Under - Gestorben wird immer"
Deutsche
Erstaufführung auf Premiere
München (ots)
Alan Ball ist ein Querkopf. Er schreibt Drehbücher, aber - wie er nachdrücklich betont - "ausschließlich für Filme oder TV-Serien, die ich selbst gerne sehen würde". Schon sein erstes Filmskript zeigte, dass sein etwas verschrobener Sinn für Drama auch bei vielen anderen Anklang findet: Sein Drehbuch zu "American Beauty" wurde mit einem Oscar ausgezeichnet.
Sofort wurde der 1957 geborene Alan Ball zum hofierten Darling der Studios in Hollywood. Aber er reagierte nur auf ein einziges Angebot, auf die beiläufig hingeworfene Idee einer Produzentin des Pay-TV-Kanals HBO: "Ich könnte mir eine Serie vorstellen über eine Familie, die ein privates Beerdigungsinstitut betreibt." Eine Familie, die vom Tod lebt - ein Konzept wie geschaffen für den grotesken Humor und die Sensibilität eines Alan Ball. Seit dem US- Start im Herbst 2001 wurde die Serie mit sechs Emmys und zwei Golden Globes ausgezeichnet und mit Kritikerlob überhäuft. Am 13. April startet die erste Staffel von "Six Feet Under - Gestorben wird immer" auf Premiere.
Mr. Ball, "American Beauty" war ein Kino-Erfolg in Deutschland. Aber Ihre Serie ist noch unbekannt. Worum geht's?
Die Serie handelt von einer Familie in Los Angeles, die mit dem Tod lebt. Sieben Menschen gehören dieser Familie und ihrem Umfeld an. Und der Tod ist wie ein achtes Familienmitglied. Jede Person hat Einfluss auf den Rest dieser kleinen Gruppe, so auch der Tod.
Das klingt ziemlich makaber.
Nein, es ist ziemlich menschlich. Denn der Tod ist ständig präsent. Wir alle wissen, dass wir eines Tages sterben werden. Unsere Kultur verdrängt dieses Bewusstsein. In unserer westlichen Kultur zählen eigentlich nur Schönheit und Jugend. Alter und Tod sind tabu.
Ist dieses "Memento Mori" - das klassische "Sei des Todes eingedenk" - nicht ein typisch religiöses Druckmittel, das die gläubigen Schäfchen an den Altar binden soll?
Das sehe ich keineswegs so. Meine Mutter wird im November 90, sie lebt allein in Georgia. Sie hatte sich mit einem Kaninchen angefreundet. Das kam jeden Tag angehoppelt und meine Mutter freute sich darauf, fütterte es und schaute zu, wie es an den Mohrrüben knabberte. Kürzlich rannte ein Hund in ihren Garten und biss das Kaninchen zu Tode. Seitdem rufe ich meine Mutter jeden Tag an. Man kann darüber lachen und sagen, das war doch nur ein blöder Hase. Aber für meine Mutter war es viel mehr, ein freundlicher Kontakt mit einem lebendigen Wesen. Und das war nun tot. Ihre Empfindungen, ihr Verlust sind echt. Ihre Trauer hat nichts mit einem religiösen Druckmittel zu tun.
Sie nannten den Tod ein Familienmitglied. Sollen wir denn wirklich ständig an den Tod denken und uns darauf einstellen?
Aber nein. Man kann doch nicht jeden Tag aufwachen mit dem Gedanken, irgendwann sterben zu müssen. Um Gottes Willen, nein. Ich finde es wichtig, den Tod bis zu einem gewissen Grad zu ignorieren. Denn eigentlich macht es ja keinen Unterschied. Der Tod kommt, ob man an ihn denkt oder nicht.
Und trotzdem ist das Sterben ein zentrales Thema Ihrer Serie. Kein Widerspruch?
Nein. Zu wissen, dass der Tod unausweichlich ist, intensiviert das Leben. Wir alle, die an dieser Serie arbeiten, spüren das. Und wir werden überhäuft mit Emails und Briefen, in denen Menschen uns sagen, was für ein Augenöffner die Serie ist. Der Tenor dieser Resonanz ist: "Ich will das meiste aus meinem Leben herausholen".
Beschäftigung mit dem Tod
ist nicht notwendigerweise eine Auseinandersetzung mit dem Leben nach dem Tod. Sondern vor allem mit dem Leben vor dem Tod. Ich glaube, dass unsere Serie lebensbejahend ist.
Ihre Serie ist in den USA und auch in Deutschland im Abo-TV zu sehen. Wäre die Serie auch im werbefinanzierten Fernsehen denkbar?
Auf keinen Fall. Man würde uns da so viele Kompromisse aufzwingen. Wer würde in einer solchen Serie Werbung schalten? Warum muss es ein Bestattungsinstitut sein? Lass uns lieber eine Privatklinik daraus machen. Muss der Familienvater wirklich gleich in der ersten Folge sterben? Könnte er nicht auf der Intensivstation liegen und die Liebe, die von der um ihn versammelten Familie ausgeht, gibt ihm genug Überlebenswillen, dass er sich wieder hochrappelt. Nein, nein, nein. Free-TV wäre der Tod der Serie.
Die Serie ist einer der größten Erfolge in der Geschichte des amerikanischen Pay-TV. Haben Sie den Erfolg erwartet?
Ich habe mich bei der Produktion ganz bewusst abgekapselt. Ich wollte nicht an irgendwelche anonymen Zuschauer denken. Sondern nur daran, was ich selbst sehen möchte.
Üblicherweise werden Serien durch Test-Vorführungen auf den Publikumsgeschmack getrimmt. War das hier nicht der Fall?
Nein, das war ein unglaubliches Glück. Wir haben die ganze erste Staffel in einem Vakuum gedreht. Ähnlich wie bei einem Film.
Eine andere sehr erfolgreiche HBO-Serie "The Sopranos" lief in Deutschland unter "ferner liefen". Glauben Sie, dass Ihre Serie besser ankommt?
Das weiß ich nicht, aber das Marketing für eine so ungewöhnliche Serie ist sehr schwer. Da gibt es zweifellos Schwellenangst. Aber wer einige Folgen gesehen hat, bleibt dabei. Die Serie startet jetzt überall in Europa, von Norwegen bis Italien. Mal sehen.
Eine persönliche Frage: Haben Sie Ihr Testament gemacht?
Ja. Ich finde es richtig, sich auf den eigenen Tod vorzubereiten. Und sich darum zu kümmern, wie die Menschen, die man liebt, versorgt sind.
Der Tod ist in diesen Tagen täglich Thema. Wie stehen Sie zu dem Krieg im Irak?
Ich wünschte, es wäre nie zu diesem Krieg gekommen. Ich hatte gehofft, dass die menschliche Evolution an dem Punkt angelangt wäre, wo Konflikte nicht mehr durch Gewalt gelöst werden. Ich weiß, dieses Thema ist sehr komplex. Aber ich hoffe, dass der Krieg so schnell wie möglich zu Ende geht. Und dass die Soldaten und die Menschen im Irak möglichst wenig leiden müssen.
Sind Sie ein politisch denkender Mensch?
Ich kann nur mit Nachdruck sagen, dass ich George W. Bush nicht gewählt habe.
Sendetermine:
"Six Feet Under - Gestorben wird immer" ab 13.04.03, sonntags 19.15 Uhr, PREMIERE 1 20.15 Uhr, PREMIERE 2
Abdruck honorarfrei bei Nennung der Quelle Premiere
Für Rückfragen: Conny Schwarz-Franzen Premiere Programm-PR Telefon: 089/9958-6356 Conny.Schwarz-Franzen@Premiere.de
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