KBV - Kassenärztliche Bundesvereinigung
KBV zu Finanzergebnissen der Krankenkassen Grundsatzentscheidung über moderne Arzneimitteltherapie ist überfällig
Köln (ots)
"Wir stehen in Deutschland vor einer Grundsatzentscheidung: entweder moderne Arzneimitteltherapie oder Kostendämpfung auf Teufel komm raus. Wir Ärzte plädieren für den gezielten Einsatz innovativer Präparate. Die sind zwar oft teuer, lindern Leiden und heilen Krankheiten häufig aber erheblich besser als herkömmliche Präparate." Mit diesen Worten reagierte heute der Erste Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Dr. Manfred Richter-Reichhelm, auf Kritik an der Verschreibungspraxis der Kassenärzte. Politik und Krankenkassen hatten anlässlich der Veröffentlichung neuer Finanzergebnisse der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) die Ärzte für gestiegene Kosten verantwortlich gemacht.
Richter-Reichhelm weiter: "Die Ärzte haben nicht planlos verschrieben, wie die Bundesgesundheitsministerin suggeriert. Hier nehme ich unsere Ärzte vor Pauschalvorwürfen ausdrücklich in Schutz. Der Arzneimittel-Ausgabenanstieg des ersten Halbjahres 2002 ist mit 3,3 Prozent deutlich geringer als in den vergangenen Jahren, wo die Prozentzahlen teilweise zweistellig waren. Deswegen können wir voller Überzeugung sagen, dass wir in den vergangenen Monaten sehr verantwortungsvoll verordnet haben. Gleichzeitig kommen wir aber nicht um die Tatsache herum, dass der Bedarf der Bevölkerung an kostenintensiven Arzneimitteltherapien immer größer wird." Als Beispiele nannte der KBV-Chef die Versorgung HIV- und Krebskranker.
Eine Debatte um die Arzneimittelversorgung sei deswegen jetzt dringend geboten, weil sich 300 neue Präparate in der letzten Phase der klinischen Prüfung befänden oder kurz vor der Zulassung stünden. Selbst wenn nur ein Drittel davon als innovativ eingestuft werde, sei damit zu rechnen, dass in absehbarer Zeit eine Vielzahl hochpreisiger Medikamente auf den Markt kommen würden.
Richter-Reichhelm wies auch darauf hin, dass die Steigerungsraten bei den Verordnungen von Arzneimitteln weltweit bei rund zehn Prozent lägen. Außerdem würde in keinem Land der Erde ein so hoher Anteil an Generika verschrieben wie in Deutschland. Rund 75 Prozent der in der Bundesrepublik verordneten Präparate seien preisgünstige Nachahmerprodukte. Der KBV-Chef weiter: "Wir Ärzte haben unsere Hausaufgaben gemacht. Wir können aber nicht so viel durch Einsatz von Generika, Vermeidung von Verschreibung von Analog- und kontrovers diskutierten Präparaten sparen, wie wir für den Einsatz unabweisbarer Innovationen im Sinne der Kranken brauchen. Die Politik muss endlich für Rechtssicherheit sorgen und es uns möglich machen, endlich eindeutige Verordnungsempfehlungen auszusprechen, ohne dass uns die Pharmaindustrie sofort mit Klagen überzieht."
Richter-Reichhelm fuhr fort: "Politik und Krankenkassen müssen endlich aufhören, uns den schwarzen Peter für die Finanzprobleme der GKV zuzuschieben. Die GKV darf nicht weiter 'ausbluten', indem sie seitens der Politik seit Jahren als Verschiebebahnhof missbraucht wird. Da für Arbeitslose keine vollen GKV-Beiträge gezahlt werden, Mutter-Kind-Kuren, Entbindungsgeld, Mutterschafts- und Sterbegeld aus der GKV bestritten werden, fehlen jährlich Milliardenbeträge für die medizinische Versorgung kranker Menschen." Der KBV-Chef forderte, versicherungsfremde Leistungen grundsätzlich über Steuern zu finanzieren.
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