Stuttgarter Nachrichten: "Mutter Beimer"-Schauspielerin Marie-Luise Marjan zum Muttertag "Wir müssen Familien stark machen"
Stuttgart (ots)
An diesem Muttertags-Sonntag läuft die 1067. Folge der WDR-Endlosserie "Lindenstraße". Seit 1985 spielt Marie-Luise Marjan die "Mutter Beimer". In der Lindenstraße fällt der Muttertag aus - und Vätermonate findet die 65-Jährige im Interview mit den Stuttgarter Nachrichten (Samstag) schlicht albern. "Ich finde es schlicht albern, dass Väter dafür bezahlt werden, dass sie zwei Monate die Kinder betreuen. Was helfen zwei Monate? Hier sollen die Väter mit Geld geködert werden", kritisiert die Schauspielerin: "Sollen die Eltern doch selbst entscheiden, wer zu Hause bleib - wer das eine, wer das andere leisten soll. Zu sagen: Jetzt bekommt ihr mal zwei Monate mehr Geld, damit ihr mehr Kinder bekommt, das halte ich für unwürdig und für durchsichtig. Wer Kinder bekommt, um ein Paar Monate länger Geld zu kassieren, hat bestimmt nicht die richtige Einstellung zu Kindern."
Scharfe Kritik übt die Hauptdarstellerin der Lindenstraße daran, dass Kinderhorte und Kindergärten geschlossen würden, während es nicht ausreichend Gesamtschulplätze gäbe: "Die finanzielle Situation, die Grundsituation in Deutschland hat sich verändert. Zum Zeitgeist gehört leider, dass die Zukunft unsicher geworden ist. Oft sind beide Elternteile gezwungen zu arbeiten, um die Familie über Wasser zu halten. Heute werden Kinderhorte und Kindergärten geschlossen. Das schafft Probleme - und nicht die Tatsache, dass Mütter berufstätig sind."
Dass die Familie an Bedeutung verloren hätte, führt Marie-Luise Marjan, die sich für das Kinderhilfswerk Unicef engagiert, auf die Globalisierung zurück. "Familienunternehmen, in denen alle zum Wohle des Clans mitarbeiten, sind stark, gesund und gut. Wir sollten wieder mehr Clans bilden. Zur Familienpolitik gehört auch, Familien positiver zu bewerten. Das würde sie attraktiv und stark machen." Das Ziel des Familienlebens sei das Glück. "Jeder Mensch sucht sein Glück - der eine geht auf Weltreise, der andere sucht die Zweisamkeit, der dritte seine Erfüllung im Beruf. Glück ist die Quintessenz des Lebens. Und: Verantwortung zu übernehmen. Die Menschen wollen sich sicher und aufgehoben fühlen." Es gebe eine Sehnsucht nach Orientierung.
Das Interview im Wortlaut: Frau Marjan, was hält die "Mutter der Nation" vom aktuellen Mutterbild in Deutschland?
Marjan: Das Mutterbild von heute ist alles andere als neu. Berufstätige Frauen gibt es mindestens seit Kriegsende, so wie es immer schon Mütter gab, die sich ausschließlich um ihr Kind kümmern. Und doch ist die Mutter immer die Urzelle der Familie gewesen.
War auch der Druck auf Mütter schon immer so groß, berufstätig sein zu müssen?
Marjan: Es hat immer Kritik an Müttern gegeben - sei es, weil sie sich auf die Erziehung konzentriert haben; sei es, weil sie nebenher gearbeitet haben. Irgendwer hatte an jedem Modell was auszusetzen; auch das ist nicht neu. Neu ist etwas ganz anderes: Die finanzielle Situation, die Grundsituation in Deutschland hat sich verändert. Zum Zeitgeist gehört leider, dass die Zukunft unsicher geworden ist. Oft sind beide Elternteile gezwungen zu arbeiten, um die Familie über Wasser zu halten. Heute werden Kinderhorte und Kindergärten geschlossen. Das schafft Probleme - und nicht die Tatsache, dass Mütter berufstätig sind.
Wäre es damit getan, die Leistung von Hausfrauen zu vergüten?
Marjan: Es wird immer wieder einmal darüber diskutiert, dass Hausfrau sein ein richtiger Beruf ist - aber ohne Folgen. Die Wertschätzung der Mutter liegt in den Familien, im Umfeld. Es ist immer dort alles in Ordnung, wo die Familie intakt ist. Probleme sind meistens da, wo Bindungen fehlen, wo der Familienkern nicht stimmt. Kritisch wird es, wenn zudem die äußeren Standbeine wegrationalisiert werden. Wenn der Kinderhort geschlossen wird und es nicht genug Plätze in Ganztagsschulen gibt - die Eltern aber arbeiten müssen -, dann landen die Kinder auf der Straße. Sicher ist auch diese Schulpolitik nicht in Ordnung.
Und was halten Sie von den neuen Vätermonaten?
Marjan: Ich finde es schlicht albern, dass Väter dafür bezahlt werden, dass sie zwei Monate die Kinder betreuen. Was helfen zwei Monate? Hier sollen die Väter mit Geld geködert werden. Sollen die Eltern doch selbst entscheiden, wer zu Hause bleib - wer das eine, wer das andere leisten soll. Zu sagen: Jetzt bekommt ihr mal zwei Monate mehr Geld, damit ihr mehr Kinder bekommt, das halte ich für unwürdig und für durchsichtig. Wer Kinder bekommt, um ein Paar Monate länger Geld zu kassieren, hat bestimmt nicht die richtige Einstellung zu Kindern.
Wie anders als über Geld kann die Politik Anreize für Kinder geben?
Marjan: Ich verstehe ja, dass Politiker darum ringen. Aber sind wir ehrlich: Die Probleme haben mit der Globalisierung begonnen. Familienunternehmen, in denen alle zum Wohle des Clans mitarbeiten, sind stark, gesund und gut. Wir sollten wieder mehr Clans bilden. Zur Familienpolitik gehört auch, Familien positiver zu bewerten. Das würde sie attraktiv und stark machen. Die Lindenstraße ist auch ein Clan, der stark macht. Uns hält der Respekt vor einander zusammen, die Geduld - und natürlich der sichere Arbeitsplatz in einer erfolgreichen Serie.
Ein Clan funktioniert doch nur, wenn jedes Mitglied einen Sinn, ein Ziel darin erkennt. Was kann das Ziel sein, für das sich jedes Familienmitglied engagiert - und für das es sich lohnt, Hindernisse zu überwinden?
Marjan: Das Glück ist das Ziel. Jeder Mensch sucht sein Glück - der eine geht auf Weltreise, der andere sucht die Zweisamkeit, der dritte seine Erfüllung im Beruf. Glück ist die Quintessenz des Lebens. Und: Verantwortung zu übernehmen. Die Menschen wollen sich sicher und aufgehoben fühlen.
Privat haben sie keine Kinder - wie sieht ihr persönliches Bild einer Familie aus?
Marjan: Meine Familie ist in der Tat globaler. Meine Kinder sind die Filmkinder und jene Kinder, die ich über die Hilfsorganisationen Plan und Unicef unterstütze. Meine Mutteraufgaben sind also andere: Als Mutter Beimer will ich bestenfalls zum nachdenken anregen. Die "Mutter der Nation" ist natürlich ein erfundenes Bild - die Deutschen vergeben nun mal gern Etikette. Aber es ist ja ein tröstliches Bild, und wenn die Menschen damit etwas anfangen können - warum nicht?
Gibt es eine Sehnsucht nach einer stabilen familiären Ordnung, obgleich das seit Achtundsechzig lange als spießig galt?
Marjan: Ja, die Sehnsucht gibt es. Menschen brauchen ein Geländer, eine Orientierung. Und sie brauchen Personen, glaubwürdige Beispiele, an denen sie sich festmachen können.
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