Frank Giering: "Mit 24 Jahren habe ich mich das erste Mal richtig verliebt..." ... bei den Dreharbeiten zu 'Funny Games', den Tele 5 am 31.Mai 2008, 00.05 Uhr zeigt
München (ots)
Frank Giering zählt seit seinem Durchbruch mit 'Funny Games' zu den interessantesten Schauspielern in Deutschland und glänzt häufig in düsteren Charakterrollen. Im Exklusiv-Interview mit Tele 5 sprach der 36-Jährige über Liebe, Gewalt und Familie.
Tele 5: 'Funny Games' wurde von Michael Haneke mit Starbesetzung in den USA neuverfilmt. Was halten Sie von Remakes?
Frank Giering: Gewöhnlich finde ich Remakes immer schwächer als das Original. Dass jetzt aber mit 'Funny Games' ein Film, in dem ich selbst mitgespielt habe, in den USA neuverfilmt wurde, macht mich stolz.
Michael Haneke hat 'Funny Games US' sogar Einstellung für Einstellung nachgedreht. Finden Sie das gut?
Wahrscheinlich hätte ich versucht, etwas anderes zu machen. Aber bei 'Funny Games' war alles schon so genial, dass ich schon verstehe, dass er genau nachgedreht wurde.
Der Film lotet Gewalt bis zur Schmerzgrenze aus und verlangt dem Zuschauer seelisch Einiges ab. Können Sie sich solche harten Filme selbst ansehen?
Für mich ist 'Funny Games' ein Gewaltfilm, der sich absolut gegen Gewalt richtet und die Auswirkungen von ihr zeigt. Darum finde ich ihn gut. Ich selbst verabscheue Gewalt, das ist das Schlimmste, was es überhaupt gibt. Gewalt verherrlichende Filme schaue ich mir deshalb auch nicht gern an.
Wie haben Sie sich mit dem Thema und der Rolle vor den Dreharbeiten auseinandergesetzt?
In den Neunziger Jahren gab es einen wahren Fall, wo zwei Jugendliche eine Oma für ein paar Mark überfallen haben und dabei Lust entwickelten, sie zu quälen und schließlich zu töten. Das fand ich sehr schlimm damals und als ich das Drehbuch zu 'Funny Games' bekommen habe, musste ich ständig daran denken beim Lesen. Wahnsinn auch, dass wir am Mondsee gedreht haben, an dem Ort, wo Josef Fritzl (jener Mann, der seine Tochter 24 Jahre lang in einem Kellerverlies gefangen hielt, Anm. d. Red.) vor zwanzig Jahren in den Achtzigern schon mal jemanden umgebracht haben könnte.
Haben Sie viel geprobt für Ihre Figuren?
Ich hatte ziemlich Narrenfreiheit beim Dreh. Regisseur Michael Haneke hat immer gelacht, wenn ich etwas gemacht habe, und fand das dann gut. Er hat gar nicht so viel mit mir gearbeitet. Und er hat uns schon genau so für die Rollen ausgesucht, wie er Peter und Paul empfunden hat. Der Arno Frisch, der den Paul spielt, ist der Sichere und Coole, und ich der Unsichere.
Sie mussten sich sogar ein paar Kilos anfuttern für die Rolle...
Zehn Kilo, das war vertraglich festgelegt.
War es schwer, das wieder wegzutrainieren?
Damals war es leichter, die Kilos wieder runterzukriegen. Nach 'Funny Games' bin ich einfach ins Fitnessstudio gegangen und habe den Bauch wegtrainiert. Heute muss ich sehr bewusst auf meine Ernährung achten, um nicht zuzunehmen. Schließlich trage ich in 'Der Kriminalist' seit drei Jahren immer die gleiche Jeans.
Als Peter markieren Sie im Film zu Beginn den Ungeschickten. Sind Sie das persönlich auch?
Ich bin geschickt, fühle mich aber oft ungeschickt. Egal, was ich im Leben mache, meistens bin ich mir sicher. Aber wenn ich was wirklich will, gerade in Bezug auf Frauen, da bin ich total unsicher und schüchtern. Irgendwann sagt mir dann die Frau, bei der ich mich nicht traute, sie anzusprechen: "Was, du fandest mich toll? Du hättest es nur sagen müssen..."
Welche privaten Erinnerungen verbinden Sie mit 'Funny Games'?
Ich habe mich damals mit 24 Jahren das erste Mal überhaupt verliebt. Eine Produktionssekretärin. Ich werde es nie vergessen: Am ersten Drehtag hatte ich noch frei und sie sagte: "Oh, es regnet und ich habe Geburtstag, was machen wir denn heute?" Da nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und schlug vor, zusammen essen zu gehen. Es wurde ein unvergesslicher Abend! Am Tag darauf drehten wir die Szene, in der ich von Susanne Lothar erschossen werde. Als ich tot an der Wand hing, fühlte ich mich so stark. Leider ging die Beziehung aber nach dem Dreh recht schnell auseinander.
Die meisten Schauspieler haben ihre erste Liebe schon viel früher erlebt...
Ja, deshalb wollte ich auch Schauspieler werden. Ich dachte immer, wenn ich Schauspieler bin, schnippe ich einfach mit den Fingern und dann bekomme ich jede Frau, die ich will.
Haben Sie noch Kontakt zu Ihrem Kollegen Arno Frisch, der ja in der gleichen Agentur wie Sie ist?
Ich habe neulich in der Nähe seines Wohnorts gedreht, und da habe ich ihn zufällig mit seinem Kind getroffen. Er führt ein ganz anderes Leben als ich, hat Frau und Familie.
Ist es auch hart, wenn intensive Kontakte am Set nach dem Dreh vorbei sind?
Ich glaube, dass oft nur die Arbeit einen richtig zusammenschweißt. Es ist sehr schade, wenn nach Drehende alle ihren eigenen Weg gehen, vor allem, wenn die Kollegen sehr nett sind. Wenn man sich dann wieder trifft, bleibt das Gespräch meist recht oberflächlich. Oft habe ich das Gefühl, dass ich nur wegen meiner Arbeit ernst genommen wurde. Ich habe mich auch oft zurückgezogen, dabei hätte ich schon gern öfter mal das Gespräch gesucht. Aber es gibt, glaube ich, viele Menschen, denen es genauso geht.
Welche Erinnerungen verbinden Sie mit Ulrich Mühe?
Es war sehr traurig, als ich von seinem Tod erfahren habe. Ulrich Mühe hat mir mal einen schönen Witz erzählt - den werde ich nie vergessen: Ein Schauspieler kommt von der Bühne, wo er vor zehn, zwölf Leuten gespielt hat. Er schminkt sich in der Garderobe ab, als plötzlich der Teufel reinkommt. Der Leibhaftige sagt: "Du kannst der größte und erfolgreichste Schauspieler aller Zeiten werden. Du wirst berühmt, bekommst schöne Frauen, Geld, was du willst. Du musst mir im Gegenzug nur deine Seele geben." Und der Schauspieler überlegt kurz und sagt dann: "Das mach ich - nur, wo ist der Haken an der Sache?"
Warum entdeckt man Sie selbst so selten auf Partys oder in Boulevardzeitungen?
Mir hat mal jemand gesagt: "Wer mit uns den Fahrstuhl hochfährt, der fährt ihn auch mit uns runter". Da habe ich gesagt: Runterfahren will ich nicht - zumindest nicht öffentlich. Deswegen mache ich um Preisverleihungen, vom Bayerischen Filmpreis bis hin zum Deutschen Filmpreis, immer gerne einen Bogen. Auch Partys liegen mir nicht.
Ziehen Sie sich gerne zurück?
Ich bin überhaupt nicht gerne Einzelgänger, lasse mich aber gern in die Rolle reinschieben.
Haben Sie Angst vor Verantwortung?
Auf jeden Fall. Christian Berkel hat mir kürzlich das Foto eines Hundes gezeigt, der ein Herrchen sucht: "Genau der Mops wäre gut für Dich!", sagte er. Aber ich antwortete, das würde ich mich nicht trauen, auf ihn aufzupassen. Also habe ich auch da schon eine Angst vor Verantwortung.
Momentan spielen Sie den Assistenten von Christian Berkel in 'Der Kriminalist'. Es ist ungewöhnlich, Sie auf der anderen Seite des Gesetzes zu sehen...
Da wundere ich mich auch und ich bin der Produzentin dankbar, dass sie mich für die Rolle ausgesucht hat. Ich bin sonst immer lieber der auf der anderen Seite des Vernehmungstisches, also der Böse. Ich dachte zuerst, dass ich nur den Bösen oder Zurückgezogenen spielen kann. Das ist ja auch immer ein Schutzreflex. Aber als Kommissar kannst du das nicht, da musst du für den anderen da sein, du musst mit ihm agieren und nicht gegen ihn. Insofern ist es ein sehr gutes Training für mich.
Dennoch ist Ihr Charakter sehr eigenwillig...
Das war mein Wunsch von Anfang an. Ich habe gleich gesagt, dass ich niemals ein Kommissar sein kann, der ins Fitnessstudio geht oder ein gewöhnliches Leben führt. Ich wollte meine Macken oder irgendetwas Persönliches in die Rolle einbringen, und das durfte ich von Anfang an.
Hatten Sie gar keine Bedenken, an eine Serie gebunden zu sein?
Das wusste ich zuerst gar nicht (lacht). Ich habe das Drehbuch gelesen, fand es gut, und mochte Christian Berkel. Ich glaubte, das wäre ein normaler Krimi. Dass 'Der Kriminalist' eine Serie ist, habe ich erst von Christian am Tag des Castings erfahren. Aber es ist eine tolle Atmosphäre. Gerade weil man in einer Serie die anderen besser kennen lernen kann, entstehen beim Drehen zwischen den Figuren wunderbare Sachen, oft nur Kleinigkeiten, die vieles lebendiger machen, was sich vielleicht nur in Blicken oder Gesten äußert. So etwas entsteht erst, das kann man gar nicht ins Drehbuch schreiben.
Was machen Sie in Ihrer Freizeit?
Wenn ich frei habe, genieße ich es, zuhause zu sein und nichts zu machen.
Und wie sieht Ihr Zuhause aus?
Ich habe nur eine Einzimmerwohnung, 45 Quadratmeter, aber mit Balkon, ganz klein und bescheiden.
Haben Sie denn keine Lust, mal in Amerika zu drehen?
Überhaupt nicht, ich kann nur schlecht Englisch. Ich lerne auch fast nie den Text. Ich überfliege ihn nur und versuche den Rest während des Moments entstehen zu lassen. In einer anderen Sprache funktioniert das nicht bei mir, ich habe es probiert. Ehrlich, ich hatte schon zig Angebote aus Amerika, etwa 'Die Vorleserin', da habe ich dann gleich gesagt: Ich kann das nicht.
Sind Sie denn in Ihrer Karriere je abgehoben?
Das bin ich nie. Das habe ich auch der Erziehung meiner Mutter zu verdanken, die immer gesagt hat: Egal was dir passiert, ob du berühmt ist oder nicht, wichtig ist, dass du dir treu bleibst.
Sie haben zu Ihren Eltern also ein sehr gutes Verhältnis?
Auf jeden Fall. Ich unterstütze und helfe ihnen, wo immer es geht und besuche sie jedes zweite Wochenende.
Und schauen die Eltern sich Ihre Filme an?
Ja, die gucken sich das schon an. Meine größte Kritikerin ist aber meine Tante: Die guckt sich jeden Film so an, als würde sie mich gar nicht kennen. Sie lässt den Film einfach auf sich wirken. Wer mich auch gerne kritisiert, ist meine Nachbarin. Die sagte neulich: "Ich habe erst einen guten Film mit Herrn Giering gesehen." Auch 'Der Kriminalist', wo sie mich jede Woche sehen kann, gefällt ihr nicht. Ich sage ihr immer, dass es viel schwerer ist, jemanden zu spielen, der einfach nur fragt, 'Wo waren Sie zwischen Acht und Zehn?", als eine emotionale Rolle. Das kann sie sich nicht vorstellen.
Identifiziert man Sie manchmal noch mit Ihrer Rolle in 'Funny Games'?
Sehr oft. Ich war neulich am Bahnhof und habe mir von jemandem Feuer geben lassen. Später hat der Mann dann gesagt: "Entschuldigung, sind Sie nicht der aus 'Funny Games'? Ich hatte gerade so eine Angst, Ihnen Feuer zu geben und dachte, jetzt kommt gleich der Andere und macht was Schlimmes." Das passiert mir oft. Ich habe das beim Spielen damals gar nicht so empfunden, aber es war wohl so eine gewalttätige Rolle, dass manche immer noch Angst vor mir haben.
Interview: Steffen Wulf
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