"In mir tickt eine Zeitbombe"/ Mickey Rourke im exklusiven Tele 5-Interview über Stolz, Erniedrigung, Härte und drei Mädchen in seinem Bett.
München (ots)
Tele 5 zeigt am Mittwoch, 5. November um 22.50 Uhr 'Thursday - Ein mörderischer Tag' mit Mickey Rourke.
Tele 5: Sie gelten als schwierig. Hatten Sie diese Schwierigkeiten von Anfang an oder gab es "einen Knacks" in Ihrer Karriere?
Mickey Rourke: Ganz am Anfang wollte ich wie Al Pacino sein, oder wie Robert De Niro. Ich hab' viel gearbeitet. Ich hatte keine Freunde, lebte wie ein Mönch. Aber Mitte der 80er, nach meinen ersten Filmen, veränderte sich etwas. Ich habe viel Scheiße gebaut. Das war eine verrückte Zeit, ich bin etwas übergeschnappt. Mich hat diese ganze Art der Mainstream-Schauspieler angeödet. Ihre Art, sich zu geben, ihre Verlogenheit. Bis heute lebe ich nicht in Hollywood, sondern in New York. Das ist ein ehrlicherer Ort. Und kultivierter. Ich bin immer New Yorker gewesen! Es war ja auch so, dass ich damals alle möglichen Projekte abgelehnt habe, weil sie mir zu doof waren.
Wann haben Sie gemerkt, dass etwas schief lief?
Ich hab nicht geglaubt, dass ich irgendetwas falsch machen würde. Ich dachte, es wären die anderen. Aber im Grunde war vieles nicht in Ordnung. Da gab es Dinge in meiner Kindheit, wegen denen ich mich unglaublich geschämt habe. Ich bin stolz, ich wollte mich nicht schämen. Also hab ich nach außen den harten, wütenden Typ gegeben. Dass es zu hart war, hab ich erst gemerkt, als alles schon den Bach runter gegangen war, ich alles verloren hatte. Es wäre schön, wenn das besser gelaufen wäre, das wünsche ich mir wirklich. Das war die Hölle, nicht nur für mich, auch für andere. Allerdings hat mich mein Stolz später auch gerettet.
Sehen Sie sich eigentlich Ihre alten Filme an?
In der Regel nicht, nein, ich mag mich nicht auf der Leinwand sehen.
Werden Sie manchmal noch auf "9½ Wochen" angesprochen?
Ja, leider. Es schmeichelt mir nicht. Das liegt alles so weit zurück, und gerade dieser Film... Wissen Sie, meistens sind das Jungs, die mich drauf ansprechen, und dann solche Sachen sagen, wie: "Ich hab zu dem Film gevögelt, oder einen geblasen bekommen." Wirklich! Und ich denke nur "Fuck, was soll das?"
Anfang der 90er haben Sie als Schauspieler aufgehört, und sind zunächst Boxer geworden...
Ja, ich habe mich immer mehr für Sport interessiert als fürs Schauspielen. Aber das liegt jetzt alles lang zurück, wir sollten nicht mehr darüber reden. Ich möchte jetzt als das gesehen werden, was ich bin: Ein ernsthafter Schauspieler. Das Problem waren ja nie meine Fähigkeiten als Schauspieler. Es waren auch nicht Alkohol und die Drogen. Es waren mein Mundwerk, mein Temperament und mein Lebensstil am Set. Wenn man keine Regeln akzeptiert, muss man den Preis bezahlen. Aber heute habe ich Regeln, wissen Sie. Und Ziele...
Sind Sie jetzt brav geworden?
[Lacht] Schauen Sie: Es gab Zeiten, da bin ich in ein Restaurant gegangen, und alle, die da saßen, guckten auf ihre Teller und fingen an, zu flüstern. Das wollte ich nicht mehr... Ok? Alles, was ich früher gemocht hatte, war weg. Aber eine kleine Zeitbombe wird immer in Mickey Rourke stecken, Ok? Aber ich umgebe mich heute mit anderen Leuten, mit Menschen, die mein Bestes wollen. Zum Beispiel der Regisseur Julian Schnabel. Er ist ein echter Freund geworden. Ich bin so froh, und so erstaunt, dass ich noch eine zweite Chance bekomme. Ich will sie nutzen. Ich gebe mir Mühe, nicht mehr die gleichen Fehler zu machen. Nur wenn einer keinen Respekt zeigt - das kann ich nicht ertragen.
In 'The Wrestler' spielen Sie Ihre erste Hauptrolle seit vielen Jahren. Auf Ihre Oscarnominierung werden bereits Wetten angenommen. Wie hat Sie Regisseur Darren Aronofsky angesprochen?
Unser erstes Treffen war lustig. Ich saß in einem Restaurant im New Yorker West Village als sich Julian Schnabel zu mir umgedreht und mir einen jungen Typ vorgestellt hat: "Hier, das ist Darren Aronofsky - ein schlauer jüdischer Junge aus Brooklyn." Er war mit dem Fahrrad gekommen und hatte einen komischen grünen Helm und unglaublich kindische Klamotten. [Lacht] Darren muss den schlimmsten Modeberater des Planeten haben. Diese Klamotten! Er behauptet, das sei Prada, aber er sah eher aus wie ein UPS-Fahrradbote. Aber mir gegenüber war er dann offen, ohne Formalitäten und sehr ehrlich: Er sagte 'Du bist ein schwieriger Typ'. Ich nickte. 'Du hast Deine Karriere weggeschmissen.' Ich nickte nochmal. Was immer er sagte, er hatte recht. Er versuchte mich auf 20 Zentimeter Größe zu schrumpfen. Dann hat er mir noch gesagt, ich würde während des Drehs keinen Urlaub haben und Geld würde es auch nicht geben. [Lacht] So weit ist es mit mir gekommen: Ich musste mir den ganzen Mist anhören und ruhig bleiben. Aber das ist ok. Ich mag Leute, die von Anfang an ehrlich sind. Wir hatten dann nie ein Problem. Und am allerersten Tag hat er gesagt: Mit dieser Rolle besorge ich Dir Rampenlicht. Ich verschaffe Dir eine Oscar-Nominierung. Und nach der ersten Woche habe ich ihm geglaubt. Er ist wie ein Football Coach, ein großer Motivator.
Wie haben Sie sich auf die Rolle vorbereitet?
Obwohl ich ganz fit bin - ob Sie es glauben oder nicht -, und früher ja mal professionell geboxt habe, musste ich ein mörderisches Trainings-Programm absolvieren. Die ganzen Wrestling Stunts habe ich selber gemacht. Wirklich! Sie gucken so zweifelnd...
Naja, das war schon ganz schön hart, egal, wie gut trainiert Sie sind...
Ja, aber ich bin auch hart. ("Yes, but I am a tough guy"). Es stimmt, trotz meiner eigenen Erfahrungen habe ich einen Heidenrespekt vor den Wrestlern. Jeden Abend im Ring, das ist Wahnsinn. Als ich anfing, ist so ein 260-Pfund-Kerl in mich rein gerannt. Jeder einzelne Zahn, ob echt oder falsch, hat tagelang weh getan. Zweimal pro Woche musste ich mir irgendetwas einrenken lassen. Was Sie im Film sehen, ist kein Fake. Mein Trainer war ein ehemaliger Elite-Soldat der Israelis. Der hat mich nie in Ruhe gelassen. Es gab keinen Tag frei. Ich konnte nicht sagen: Heute hab ich keinen Bock. Er hatte sogar den Schlüssel zu meinem Hotelzimmer. Selbst wenn ich da mit drei Mädchen im Bett lag, hat er mich geholt. Glücklicherweise war er sehr religiös. So hatte ich wenigstens am Sabbath meine Ruhe... [Lacht].
Ist ihre Figur in 'The Wrestler' auch eine Selbstbeschreibung?
Warum sollte es das sein?
Naja, es geht um das Comeback eines Showbusiness-Stars, der seine besten Tage vermeintlich hinter sich hat. Um einen Mann, der für manche ein Held ist, aber auch einsam, der seine nähere Umgebung schlecht behandelt... Das entspricht zumindest Ihrem Bild in der Öffentlichkeit...
Ok, stimmt, und an dem Image ist ja was dran. Die Kritiker haben mich hochgejubelt in meinen frühen Filmen, und dann haben sie mich runtergemacht. Ich habe da natürlich selbst etwas dazugetan. Ich hab meine Karriere ruiniert. Ich war damals nicht soweit, nicht reif. Ich war sehr jung, sehr naiv, sehr uninformiert. Wenn ich mir solche Leute angucke wie Matt Damon, Sean Penn und George Clooney - die sind alle so intelligent, gut erzogen, gebildet, die haben von Anfang an verstanden, um was es geht. Irgendwie hab' ich dagegen viele Jahre nicht begriffen, dass das Filmbusiness eben ein Business ist, und das man sich darin sehr vorsichtig und sehr politisch verhalten muss. Ich kam von der Schauspielschule und glaubte, es ginge nur darum, zu Schauspielen und das möglichst gut. Ich wusste, dass mir das keine Probleme bereitete, dass ich besser war, als die meisten anderen.
Sie haben eine Rolle in 'Rain Man' abgelehnt, und einen Auftritt in 'Pulp Fiction'...
Ja, aber 'Pulp Fiction' war später. Da war ich schon nach Miami zu meiner Familie gezogen und habe geboxt. Aber klar: Es gab unkluge Entscheidungen. Andererseits ist man hinterher immer schlauer. Sie kennen auch nur die berühmten Filme, die ich NICHT gespielt habe. Aber was glauben Sie, wie viel Scheiße mir angeboten wurde, die ich auch angelehnt habe, und von der nie wieder jemand was gehört hat. Ich wollte immer Kunst machen als Schauspieler. Kein blödes Showbiz. Keine reine Unterhaltung. Damit kann ich nichts anfangen. Ich kam direkt aus dem "Actor's Studio" und ich wollte Sachen spielen wie 'Barfly', egal ob das wirklich gut war, oder nicht, und in Irland einen Film über einen IRA-Terroristen wie 'A Prayer For The Dying', als das noch kein populäres Thema war, anstatt einen kommerziellen Formel-Film eines Studios zu drehen. Vielleicht hätte ich das machen sollen. Ich hab mich aber nie dafür interessiert ein zweiter Mel Gibson zu sein. Das war einmal ein Superstar. Ich kann's nicht glauben... Und dann war ich irgendwann von mir selbst enttäuscht...
An welche Ihrer alten Filme erinnern Sie sich gern?
An 'Im Jahr des Drachen' von Michael Cimino. Das war eine wirklich gute Erfahrung. Auch die Arbeit mit Alan Parker bei 'Angel Heart' war toll. Ich glaube, dass das zwei meiner besseren Filme sind. Alan Parker ist ein großartiger Regisseur, einer der besten für einen Schauspieler, die ich erlebt habe. Und natürlich Francis Ford Coppola. Ich habe mit dem einen meiner ersten Filme gemacht, 'Rumble Fish' und er hat mir später, als ich in meiner schlimmsten Phase war, wieder eine Chance gegeben, in 'The Rainmaker'. Das weiß ich sehr zu schätzen. Das hätte er nicht tun müssen. Aber es hat mir geholfen, und war eigentlich der Anfang meiner allmählichen Rückkehr zum Film.
Wie geht es für Sie weiter?
Ich will gute Sachen machen, meine Zeit nicht mit Mist verschwenden. Ich will Filme drehen, die seriös sind, mit interessanten, integeren Leuten arbeiten, mit Regisseuren, die ich respektiere: Leute wie Tony Scott, mit dem ich 'Domino' und 'Man on Fire' gemacht habe, Robert Rodriguez, bei dem ich in zwei Filmen, in 'Es war einmal in Mexico' und in 'Sin City' gespielt habe, und mit Quentin Tarantino - ich habe eine kleine Liste.
Mit Rourke sprach Rüdiger Suchsland im Oktober im Rahmen des Golden Orange Festivals in Antalya
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