"In Hollywood fühle ich mich wie ein Ausländer" - John Hurt im Exklusiv-Interview mit Tele 5
München (ots)
'Wild Bill' am Samstag, 02. Mai, 22.25 Uhr auf Tele 5
Weltberühmt wurde John Hurt (69) 1979, als seine Bauchdecke platzte und ein kleines Monster mit fletschenden Zähnen entsprang. Die Geburtstunde von 'Alien - das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt'. Seitdem ist der Brite, der für 'Midnight Express' (1979) und 'Der Elefantenmensch' (1981) Oscar-nominiert war, von der Leinwand nicht mehr wegzudenken. Zuletzt sah man ihn in Kinoerfolgen wie 'Harry Potter' und 'Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels'. 1995 verpflichtete ihn Meisterregisseur Walter Hill für den Western 'Wild Bill'. Neben Jeff Bridges in der Titelrolle spielte er den Part des Charley Prince.
Tele 5: Bereits mit neun Jahren haben Sie die Entscheidung getroffen, eines Tages Schauspieler zu werden. Wie kamen Sie schon so früh auf diesen Berufswunsch?
John Hurt: Das stimmt, solange ich denken kann, wollte ich Schauspieler werden. Ich wusste damals aber noch nicht wirklich, was das bedeutet. Ich wusste nur, dass ich gern auf der Theaterbühne stand, aber ich hatte keine Ahnung, wie und ob man damit überhaupt Geld verdienen kann.
Hatten Sie eine schöne Kindheit?
Ich bin in der Nachkriegszeit aufgewachsen und irgendwie schien alles brach zu liegen. Trotzdem würde ich sagen, verlief meine Kindheit recht normal. Meine Eltern waren wenig begeistert von meinem Wunsch, Schauspieler zu werden, und schickten mich an eine Kunstschule, was damals in England nichts Ungewöhnliches war. Letztendlich bin ich dann doch bei der Schauspielerei gelandet. Gern hätte ich auch schon in meinen Jugendjahren vor der Filmkamera gestanden, doch der englische Film steckte damals noch in den Kinderschuhen. Es wurden eher kleinere Filme gedreht, zumindest wenn man sie mit Produktionen vergleicht, wie sie heute entstehen.
Sie waren an vielen Filmerfolgen beteiligt. Ein gutes Gefühl?
Man muss das schon relativieren. Wenn ein Film entsteht, hat das überhaupt nichts Besonderes. Was ja auch gut so ist, weil man sonst unter ständigem Druck stehen würde, zu denken, hier entsteht etwas ganz Einmaliges. So macht man einfach nur seinen Job, und entweder hat man Spaß dabei oder es wird zur Tortur, was aber Gott sei Dank wirklich nur äußerst selten geschieht.
Sie haben sich dabei aber nie auf ein Genre festlegen lassen...
Wobei ich Komödien immer noch als das schwierigste Fach empfinde. Wie oft dachte ich beim Drehen, das wird richtig lustig werden, und dann stellte sich heraus, der Humor funktioniert doch nicht. Ich will jetzt keine Titel nennen, aber wie heißt es unter Schauspielern so schön: Sterben ist einfach, Komödie ist hart (lacht).
Haben Sie einen Lieblingsfilm?
Das ist eine sehr schwere Frage, die ich nur mit einer Floskel beantworten kann: Ich liebe alle meine Babys! (lacht) Woran will man das festmachen? Ich habe Filme gedreht, die nicht besonders erfolgreich waren oder auch nicht besonders gut, und dennoch spielte ich vielleicht eine Rolle darin, die sehr viel in mir bewirkt hat. Mit einer solchen Einstellung sollte man als Schauspieler auch ans Werk gehen: Ich muss mich für die Figur interessieren und meinen Part damit beitragen, denn was für ein Gesamtfilm letztendlich herauskommt, kann ich als einzelner Schauspieler sowieso nicht beeinflussen.
Und wenn Sie könnten?
Klar weiß man im Nachhinein alles besser. 'V wie Vendetta' hätte meines Erachtens ein sehr viel größerer Erfolg beschieden sein können, wenn man anders vorgegangen wäre. Ich meine, man kann keine Hauptfigur mit einer absolut starren Maske hinstellen und sie so inszenieren, als würde sie überhaupt keine Maske tragen. Das war selbst für mich schwierig. Denn wie soll man auf einen Gegner reagieren, der keinerlei Emotionen im Gesicht zeigt? Ich hätte es anders gemacht, sein Gesicht gezeigt, aber nur schemenhaft oder abgedunkelt. Vielleicht wäre der Film dann besser gelaufen, aber wissen kann man es nie.
Nach welchen Prinzipien wählen Sie Ihre Rollen aus?
So wie immer. Wenn ich das Gefühl habe, ein Stoff könnte erfolgreich sein und ich darin eine Figur entdecke, mit der ich persönlich etwas anfangen könnte, gebe ich sehr schnell meine Zusage. Mit meinem Alter hat das nichts zu tun.
Wobei Sie oftmals in Nebenrollen besetzt werden. Wie sieht es da mit Ihrer Eitelkeit aus?
Mag sein, dass ich vor 25 Jahren noch besser dran war, als ich in 'Midnight Express', 'Alien' oder 'Der Elefantenmensch' noch Hauptrollen spielte. Vielleicht war diese Phase der Höhepunkt meiner Karriere. Andererseits liegen mir meine heutigen Filme näher. Persönlich gesehen, ist 'Love and Death on Long Island' mein absoluter Lieblingsfilm, auch wenn ihn kaum jemand kennt. Aber das interessiert mich nicht. Ich habe keine Lust, Imagepflege zu betreiben. Ich bin Schauspieler, der sich immer wieder mit neuen Figuren auseinandersetzen will. Für mich müssen keine Rollen geschrieben werden.
Hollywood bucht Sie besonders gern. Wie stehen Sie zur amerikanischen Traumfabrik?
Es sind nicht die besten Erfahrungen, die ich drüben gemacht habe. Das hat nichts mit den Regisseuren oder den technischen Abläufen zu tun, aber in den USA läuft doch alles noch ziemlich sittenstreng ab. Ich meine, ich fühle mich drüben immer wie ein Ausländer, mehr als anderswo. Was ich sehr merkwürdig finde, weil die Wurzeln der USA vor allem in Europa liegen. Kulturell gesehen, fühle ich mich in jedem Land Europas stets wie Zuhause.
Im nächsten Jahr werden Sie 70. Denken Sie jetzt langsam daran, in Rente zu gehen?
Ich merke schon, dass ich als Schauspieler für manche Sachen zu alt werde. Deshalb habe ich in den letzten Jahren versucht, es nochmals so richtig auszunutzen, physische Strapazen auf mich zu nehmen. In 'Outlander' etwa spielte ich einen Wikingerkönig, durfte mit dem Schwert kämpfen und auf einem Pferd reiten. Das hat nochmals richtig Spaß gemacht, obwohl ich mich nie als Actionheld gesehen habe. Ich hatte nie das Verlangen danach, fand das immer ein bisschen zu langweilig.
Welchen Vorteil bringt das Älterwerden?
Wenn Sokrates Recht hat, dass ein weiser Mann im Alter immer mehr zur der Erkenntnis kommt, dass er eigentlich gar nichts weiß, komme ich dem immer näher.
Interview: Markus Tschiedert exklusiv für Tele 5
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