Lausitzer Rundschau: Der FDP-Chef ersetzt seriöse Politik durch Plattitüden Westerwelles Weisheiten
Cottbus (ots)
Irgendwann wird sich ein deutscher Politiker als großer Vordenker profilieren, indem er erklärt, die Erde sei eine Kugel. Höchstwahrscheinlich wird dieser Politiker der FDP angehören, jener Partei also, deren Vorsitzender derzeit mit einer ähnlich überraschenden Erkenntnis auf sich aufmerksam macht. Guido Westerwelle wirft seinen Gegnern vor, sie kritisierten deshalb die Form seines jüngsten Ausflugs in die Sozialpolitik, weil sie vor einer inhaltlichen Auseinandersetzung zurückschreckten. Und tatsächlich gibt es inzwischen auch einige in der Union, die vorsichtig zu bedenken geben, in der Sache habe der FDP-Chef ja irgendwie Recht. Nun denn, was also ist die bahnbrechende Erkenntnis, die Westerwelle zufolge einen "völligen Neuanfang" des Sozialstaats erfordert und die Basis jener "geistig-politischen Wende" bilden soll, von der der Oberliberale so gerne spricht? Es ist die Forderung, dass "derjenige, der arbeitet, mehr haben muss als derjenige, der nicht arbeitet" - einherkommend mit dem trotzigen Zusatz, das werde man doch wohl in Deutschland noch sagen dürfen. Klar darf man das. Mehr noch: Es gibt schlechterdings niemanden, der etwas anderes sagt. Vor diesem Hintergrund hat der Ruf nach einer Generaldebatte zu dieser Frage im Deutschen Bundestag schon etwas Surreales. Westerwelles Weisheiten sind so frei von jeglicher Originalität und Tiefe, dass sie sich leicht als Griff in die rhetorische Trickkiste durchschauen lassen. Unappetitlicherweise bedient sich der Oberliberale dabei aus dem Repertoire der Extremen von Rechtsaußen: Die Unterstellung, es gebe ein von den dunklen Mächten der Politischen Korrektheit verhängtes Tabu, "die Wahrheit" zu sagen, ist eine Spezialität von Populisten vom Schlage eines Jörg Haider oder schlimmer. Ebenso übrigens der abstruse Vergleich der demokratischen Gesellschaft der Bundesrepublik mit dem römischen Weltreich zu Zeiten des Niedergangs. Mit seriöser Politik hat das nichts zu tun. Die müsste sich der komplizierten Wirklichkeit stellen, anstatt sie aus politischem Kalkül unbillig zu vereinfachen. Sie müsste die Frage beantworten, wie wieder mehr Menschen in eine Arbeit gebracht werden, von der sie vernünftig leben können. Und wie gleichzeitig das gerade vom höchsten deutschen Gericht eingeforderte Recht auf ein "menschenwürdiges Existenzminimum" gesichert werden kann, zu dem auch eine Mindestteilhabe am gesellschaftlichen Leben gehört. Das sind schwierige Fragen, fürwahr. Mit Plattitüden, und seien sie mit noch so viel Getöse vorgetragen, lassen sie sich nicht lösen.
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