Lausitzer Rundschau: Ein gelungenes Experiment Zu 20 Jahren Stasi-Unterlagengesetz
Cottbus (ots)
Dass vor zwanzig Jahren in Deutschland ein ungewöhnliches Experiment im Umgang mit der schmerzlichen Vergangenheit einer Diktatur begann, haben wir vor allem denen zu verdanken, die im Herbst 1989 der SED-Herrschaft durch Massenproteste ein Ende setzten. Denn diese Proteste richteten sich auch gegen die Stützpunkte der DDR-Geheimpolizei und fanden ihren Höhepunkt in der Besetzung der Stasi-Zentrale in Berlin. Damit gelangten riesige Aktenberge zunächst in die Hände der Bürgerbewegung und im vereinten Deutschland in die Verwahrung der Bundesregierung. Das Gesetz, das in den letzten beiden Jahrzehnten den Umgang mit diesen Papieren regelt, ist geprägt von den ostdeutschen Schlussfolgerungen an der Herrschaft der Kommunisten. Viele westdeutsche Politiker hätten eine vollständige Vernichtung der Akten bevorzugt - nicht zuletzt wegen der Details zu ihrem Wirken, die sich dort niederschlugen. Im Ausland gilt der deutsche Weg der Aktenöffnung längst als nachahmenswertes Modell. Bei uns dagegen fällt die Bewertung des offenen Umgangs mit den Stasi-Papieren und der damit notwendigen Einführung der Institution eines Bundesbeauftragten sehr unterschiedlich aus. Man kann sich mit guten Gründen darüber streiten, ob die mit der Öffnung der Akten einhergehende Überprüfung von Millionen von Menschen auf eine frühere Zusammenarbeit mit der Stasi nicht zu viel Raum eingenommen hat. Sie war für den Aufbau einer respektierten öffentlichen Verwaltung in den neuen Bundesländern unabdingbar. Aber sie hat in so manchen Fällen auch zu neuen Ungerechtigkeiten geführt. Denn es ist nur schwer zu verstehen, dass einstige Spitzel mit erheblichen Nachteilen zu rechnen hatten, hohe SED-Funktionäre dagegen eine zweite Chance erhielten. Unstrittig aber sollte sein, dass der Zugang der Menschen zu den über sie angelegten Überwachungsakten eine ganz einmalige und heilsame Form des Geschichtsunterrichts war. Hunderttausende wissen inzwischen aus ganz persönlichen Erfahrungen, wie Diktaturen mit ihrem engen Geflecht von Lügen, Verleumdungen und Misstrauen die Menschen erniedrigen. Dieses Wissen um die beinahe grenzenlose Arroganz der Macht ist Teil des familiären Erbes geworden und wird in der einen oder anderem Form weitergereicht. Damit ist auch klar, wer die wirklichen Nutznießer dieses insgesamt gelungenen Experiments der Aktenöffnung sind. Den Menschen wurde das zurückgegeben, was ihnen einst durch die Aktivitäten der Stasi geraubt worden war - die selbstbestimmte Sicht auf das eigene Leben.
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