Lausitzer Rundschau: Zum Programmparteitag in Bochum
Piraten über Bord
Cottbus (ots)
Es ist keine gute Idee, wenn Piraten auf Piraten einprügeln, statt sich auf die nächste Kaperfahrt zu konzentrieren. Bei der Piratenpartei aber haben halbwegs prominente Gründungsfiguren wie Marina Weisband ob der aggressiven innerparteilichen Atmosphäre entnervt das Handtuch geworfen, Vorsitzender und Generalsekretär keilen gegeneinander und in den Landesverbänden häufen sich Skandale und Skandälchen. Der Parteitag in Bochum hat da nur eine vorläufige Beruhigung gebracht. Noch schlechter ist die Idee, eine Partei deren Hauptattraktion ihre völlige inhaltliche Offenheit ist, mit Inhalten zu befrachten, die mal diesen, mal jene abschrecken. Die Piraten verlieren so ihren Markenkern, noch ehe sie eine Marke sind. Bedingungsloses Grundeinkommen, Mindestlohn, Mindestrente, Absage an Vollbeschäftigung, noch schnellerer Atomausstieg - ein Teil der Wählerschaft, der sich vielleicht bisher überlegt hatte, aus Protest oder Daffke bei der orangefarbenen Truppe ihr Kreuzchen zu machen, dürfte nach den Bochumer Beschlüssen wieder weg sein. Ein weiterer Teil der Wähler wird von den Formen des politischen Willensbildungsprozesses abgestoßen werden. Das Fehlen einer Delegiertenstruktur, die langwierigen Detaildebatten, die unübersichtlichen Abstimmungsregeln - der Charme des Basisprinzips wandelt sich hier teilweise zum Recht des Lauteren und Stärkeren, zum Zufallsprinzip. Was bleibt, sind linksliberal und anarchistisch-basisdemokratisch motivierte Protestwähler, denen das alles egal ist. Es ist ein Kreis, der überschaubar ist. Ein Jahr vor der Bundestagswahl sorgt die Ruf "Piraten! Piraten!" auf den Meeren deutscher Politik jedenfalls nicht mehr für die ganz große Angst. Manchmal sogar schon eher für Heiterkeit: Wo schwimmen sie denn heute?
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