Lausitzer Rundschau: Ein weiter Weg Zum Urteil des Menschengerichtshofes über das Katyn-Massaker
Cottbus (ots)
Weise Gerichtsurteile können Rechtsfrieden stiften und versöhnend wirken. Ersetzen können sie die persönliche Aufarbeitung der Betroffenen nicht. Das gilt für Täter und Opfer, für Schuldige und Unschuldige. Erst recht gilt dies in Fällen monströser Menschheitsverbrechen, wie das stalinistische Massaker von Katyn im Jahr 1940 eines war. Sowjetische Geheimpolizisten exekutierten damals mehr als 20 000 polnische Kriegsgefangene. Schlimmer noch war die Dauerlüge. Die Angehörigen mussten jahrzehntelang mit staatsoffiziell verkündeten Falschaussagen über das Schicksal der Opfer leben. Die kommunistischen Regime in Moskau und Warschau behaupteten, die polnischen Soldaten seien von den Nazis ermordet worden. Insgeheim war die Wahrheit in Polen allerdings weithin bekannt. Das erschwerte die Trauer der Angehörigen bis hin zur Unmöglichkeit. Vor allem aber erschwerte es die Aussöhnung zwischen Polen und Russen nach dem Ende des Kalten Krieges - ebenfalls bis hin zur Unmöglichkeit. Der Europäische Menschenrechtsgerichtshof hat am Montag in letzter Instanz in dem Fall Recht gesprochen. Er hat milder geurteilt als noch vor anderthalb Jahren. Hinterbliebene der Opfer von Katyn verlangten unter anderem die Herausgabe aller Akten zu dem Massaker durch Russland. Alles andere sei erniedrigend, argumentierten sie. Das sahen die Straßburger Richter diesmal anders. Sie erkannten keine menschenunwürdige Behandlung der Opferangehörigen durch den russischen Staat. Man kann durchaus Zweifel daran hegen, dass dies ein weises Urteil ist. Es wäre der Regierung in Moskau zuzumuten gewesen, im Fall Katyn volle Transparenz herzustellen. Der Straßburger Richterspruch wird deshalb nicht versöhnend wirken. Eher dürfte das Gegenteil der Fall sein. In einer ersten Reaktion titelte selbst die liberale, vergleichsweise russlandfreundliche polnische Zeitung "Gazeta Wyborcza" in ihrer Online-Ausgabe: "Das Straßburger Tribunal wäscht seine Hände in Unschuld." Polen und Russen haben noch einen weiten Weg vor sich, wenn sie sich aussöhnen wollen. Ohne Schmerzen zu ertragen, werden sie aber nicht ans Ziel kommen. Wenn sie es wirklich wollen, können sie sich annähern. Ob dieser Wille vorhanden ist, daran gibt es allerdings Zweifel.
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