Lausitzer Rundschau: Bundespräsident Johannes Rau beendet China-Reise
Cottbus (ots)
Zum Abschluss seiner einwöchigen China-Reise hat Bundespräsident Johannes Rau gestern den politischen Zwitter Hongkong besucht. Die Glitzer-Metropole am Südzipfel Chinas, nach 150-jähriger britischer Kolonialzeit erst seit 1997 wieder unter chinesischem Einfluss, steht beispielhaft für die explosionsartige Entwicklung des Riesenreichs: "Ein Land - zwei Systeme", heißt die Formel, nach der Hongkong jetzt regiert wird. Das zweite - kapitalistische - System ist im Begriff, sich auch im offiziell noch immer kommunistischen China breit zu machen. Sinnbildlich steht dafür die Boom-City Schanghai, von der sich internationale Investoren und natürlich auch deutsche Unternehmer magisch angezogen fühlen. Überhaupt spielt Deutschland bei der Verpuppung der chinesischen Raupe zum globalen Schmetterling eine nicht unwesentliche Rolle. Das kleine Deutschland ist seit jeher ein Vorbild für das große China, insbesondere in wirtschaftlicher und wissenschaftlicher Hinsicht. Umgekehrt sind die Deutschen von dem geheimnisvollen Reich der Mitte in vielfältiger Weise fasziniert. Hervorragende Bedingungen also für eine gedeihliche Zusammenarbeit, die prima funktioniert: China ist mittlerweile Deutschlands wichtigster Handelspartner in Asien (und umgekehrt). Das Handelsvolumen beträgt fast 36 Milliarden Euro und allein im letzten Jahr stiegen die deutschen Exporte um 20 Prozent. Begleitet wird der florierende Handel von einem politischen Dialog, der intensiv geführt wird, aber einen behutsamen Charakter hat. Bundeskanzler Gerhard Schröder weiß um die Empfindlichkeit der Chinesen, die ihren eigenen Weg gehen wollen und kaum etwas mehr hassen als "Einmischung in die inneren Angelegenheiten". Umso erstaunlicher das unbekümmerte Auftreten des Bundespräsidenten, der seinen Besuch auch zur Systemkritik nutzte und offen demokratisch- rechtliche Reformen anmahnte. Rau ist stolz auf diesen kalkulierten diplomatischen Affront, den er als "Gesprächsangebot an die chinesische Führung" begreift. Glück für Deutschland, dass die neue, westlich orientierte Pekinger Nomenklatura erheblich toleranter ist als ihre maoistischen Vorgänger. Doch ob mit oder ohne rechtsstaatspolitischer Belehrung: China hat die Vorzüge des Kapitalismus schätzen gelernt, und nimmt bewusst die "Nachteile" der Öffnung in Kauf: Erhöhter Wettbewerbsdruck, Einzug der modernen Medien (es gibt bereits mehr Internet-Benutzer als Parteimitglieder), Aufweichung der bisher geltenden Normen und Werte. Irritieren lassen sich die Herren Hu, Wu und Wen, die starken Männer des neuen China, indes nicht. Ihr Selbstbewusstsein haben sie gerade erst bei der Welthandelskonferenz in Cancun demonstriert. Erst seit eineinhalb Jahren Mitglied in der WTO, hat China gemeinsam mit Indien und Brasilien den klassischen Industrieländern die Grenzen aufgezeigt. Zwar bewegt man sich auf der internationalen Bühne noch etwas unsicher, doch beginnt die Welt zu ahnen, in welch elementarer Weise sich die politischen Gewichte verschieben werden, wenn Peking seinen Reifeprozess erst einmal abgeschlossen hat. Deutschland wäre gut beraten, diesen Prozess konstruktiv und freundschaftlich zu begleiten. Aus ureigenem Interesse.
ots-Originaltext: Lausitzer Rundschau
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