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Lausitzer Rundschau

Lausitzer Rundschau: Zu: Deutschland vergreist
Ablenkende Geisterdebatten

Cottbus (ots)

Die Lausitz, Deutschland, ja ganz Europa
vergreist. Nüchtern volkswirtschaftlich betrachtet leben wir alle in
der Altersfalle eines demographischen Pleiteunternehmens. Wenige
Junge müssen als Gläubiger für immer älter werdende Alte aufkommen.
Schon jetzt decken nur noch vier von zehn Menschen in der Region
ihren Lebensunterhalt durch ihrer eigenen Hände Arbeit. Auf Dauer
könne das nicht funktionieren, heißt es allenthalben. Soziale
Besitzstände, die die Mehrheit der älteren Wähler mithilfe der
Politik bislang noch hat verteidigen können, müssten aufgebrochen
oder gar widerrufen werden. Die Alten von heute plündern das
Sozialsystem und verprassen die Renten – sagen die Jungen. Die Alten
von morgen werden ohne Gegensteuern arm und entrechtet sein –
behauptet die Politik. Auf die biologische Reproduktionsunlust in
deutschen Egoisten-Landen antworten nicht wenige mit Appellen, die an
Muttermythos und Kinderkult der NS-Zeit erinnern. Kinderlosen Paaren
wird mit Bestrafung gedroht. Schließlich, führen sie an, sei die
Generationengerechtigkeit in Gefahr, da die Staatsverschuldung den
Jungen Chancen von morgen raube. Doch die Jungen und die Politik
irren. Aus der Staatsverschuldung resultieren nämlich
Verbindlichkeiten – und auf der Haben-Seite bleibt eine gut
ausgebaute Infrastruktur. Beides wird an die nächste Generation
vererbt. Gesamtwirtschaftlich handelt es sich dabei immer um ein
Nullsummenspiel. Das vermeintlich Ungerechte ist so ungerecht also
nicht, zumal es die heutige Generation im Durchschnitt wohl auch auf
zehn Berufsjahre weniger als ihre Vorgänger bringen wird. Das
Schlagwort von der Nachhaltigkeit durch eine Konsolidierung des
Staatshaushalts durch Einsparungen aus
Generationengerechtigkeitsgründen ist eine Verklärung. Gerade weil
sie für Kinder negative Folgen zeitigt, weil die nötigen Mittel
vorrangig nicht mehr in die Bereiche (Schule und Hochschule) fließen,
die sie betreffen. Paradoxerweise verbauen diese Einsparungen im
Namen der künftigen Generation eben jener die Zukunft. Rabiate
Kürzungen im Sozialen und bei öffentlichen Investitionen dämpfen
zudem die Inlandsnachfrage. Dadurch bleibt die Erwerbslosigkeit auf
hohem Niveau. Sie kann sogar steigen, während die Steuereinnahmen
weiter zurückgehen. Die aktuelle Sparpolitik verursacht dadurch
selbst immer wieder neue Löcher im Haushalt, gegen die dann mit
weiteren Kürzungen ebenso erfolglos angespart werden soll. Eine
erfolgreiche Bekämpfung der Arbeitslosigkeit wäre noch immer die
beste Renten- und Sozialpolitik. Alles andere sind ablenkende
Geisterdebatten.
Die Lausitzer Rundschau, Cottbus, zum Wirtschaftswachstum: Die
konjunkturelle Entwicklung wird unablässig vermessen, gewichtet und
analysiert. Selbstredend werden die Zahlen auch politisch bewertet
und so nimmt es nicht Wunder, dass das nun statistisch erfasste
Wirtschaftswachstum 2004 krass unterschiedlich beurteilt wird. Die
Bundesregierung spricht von einer „Trendwende“, die Opposition von
einem „Trauerspiel“. Verbände und Kammern trauen dem Braten noch
nicht und äußern sich skeptisch. 1,7 Prozent Wachstum, das ist nicht
viel. Im Verhältnis zur Weltkonjunktur mit rund fünf Prozent wirkt
der Anstieg wahrlich bescheiden. Allerdings erscheint die Zahl in
einem anderen Licht, wenn die Stagnation der letzten drei Jahre
berücksichtigt wird. Jeder weiß zudem, dass die positive Entwicklung
nur dem Export geschuldet ist. Während die Außenwirtschaft brummt,
kommt die Binnenwirtschaft nicht auf Touren. An dieser Stelle wird es
politisch, denn die Konsumzurückhaltung ist auch psychologisch
begründet. Job-Angst klemmt den Geldbeutel zu. Erst wenn die Bürger
wieder Zuversicht schöpfen und die grassierende
„Geiz-ist-geil“-Mentalität als Selbstbetrug erkennen, kann die
Trendwende tatsächlich erreicht werden.
ots-Originaltext: Lausitzer Rundschau

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