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Lausitzer Rundschau

Lausitzer Rundschau: Die Parteien und die Ängste der Deutschen
Der Ost-Wahlkampf

Cottbus (ots)

Viermal haben bislang die Ostdeutschen den
Bundestag gewählt, viermal war der Sieger in den neuen Ländern auch
hinterher Bundeskanzler. Helmut Kohl wie Gerhard Schröder verdankten
ihre knappe Wiederwahl den Stimmen der Ost-Wähler. Vor drei Jahren
rettete sich Rot-Grün mit der Angst vieler Menschen hier vor sozialem
Kahlschlag im Falle von Edmund Stoibers Wahl. Der bayerische
Ministerpräsident, der Mann aus dem Süden, war ein völlig Fremder –
so viel alte Bundesrepublik wie überhaupt nur denkbar. Bei diesen
vier Wahlen gab es aber auch immer einen Wahlkampf um den Osten. Es
gab das Versprechen, seine besonderen Probleme aufzugreifen und
Lösungen zu suchen. Der Wettlauf der Politiker in die Flut-Gebiete
Sachsens war symbolisch. Wo die Not am größten ist, wollten sie sein.
Seit der letzten Wahl aber hat sich der Blickwinkel verändert.
Gelsenkirchen in Nordrhein-Westfalen kommt im Vergleich mit Cottbus
ganz, ganz schlecht weg. Der Westen erschrickt – nicht etwa, weil
dort die Armut größer ist. Aber die alten Sicherheiten sind
zerbrochen und die Angst wird ein Massenphänomen. Das von dieser
Angst ausgelöste politische Erdbeben hat sein Epizentrum ganz und gar
in den Tiefen der verstörten Westseele. Um diese Ängste und
Befindlichkeiten wird es gehen bis zur Abstimmung. Paradoxerweise
wird die dann im Westen aber von einer Frau gewonnen, die in der DDR
aufgewachsen ist und bis zu deren Ende mit ihr lebte. Sie ist nun
ihrerseits darin den Bayern und Schwaben nicht weniger fremd, als es
jener Bayer den Ostdeutschen war. Ob Angela Merkel es wohl kann mit
ihrer Lebensgeschichte – das wird die Ost-Frage dieses Wahlkampfs
sein. Eine Frage allerdings, die nur im Westen gestellt werden wird.
Aber vielleicht gelingt es dem Osten doch noch, einen Weg zu finden
zurück zu dem Prinzip, dass es zwischen der Aufmerksamkeit und der
Notwendigkeit in der Politik ein ausgewogenes Verhältnis geben muss.
Und möglicherweise ist das auch der erste Prüfstein für die
zukünftige Kanzlerin – dass sie nicht vergisst, woher sie kommt und
die Sorgen und Hoffnungen der Deutschen in Nordrhein-Westfalen wie
auch in Brandenburg ernst nimmt.
ots-Originaltext: Lausitzer Rundschau

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