Lausitzer Rundschau: Die Lausitzer Rundschau Cottbus zum Vertrauensentzug für den Bundeskanzler: Nur eine Episode
Cottbus (ots)
Der Regierungschef hat das Regieren eingestellt. Was folgt, sind die bleiernen Tage des Wartens, bis Horst Köhler mitteilen wird, wie er damit umgeht. Sowohl dem Bundespräsidenten als auch den Verfassungsrichtern dürfte es freilich sehr schwer fallen, die gestern bewusst herbeigeführte Kanzler-Niederlage in der Vertrauensfrage für nichtig zu erklären. Denn Gerhard Schröder wusste überzeugend zu begründen, warum er nicht mehr weiter- machen kann. Der Ausweg kann nur Neuwahlen heißen auch wenn Schröders persönliche Schlussfolgerung daraus bar jeder Logik erscheint. Selbst weniger politisch interessierten Zeitgenossen muss auffallen, dass die Sozialdemokraten seit Schröders Agenda 2010 tief zerrüttet sind. Der neue Kurs mit seinen eher neoliberalen Grundsätzen für mehr Eigenverantwortung und weniger Staat bedeutete eine glatte Abkehr von den vormaligen Glaubensbekenntnissen der Genossen. Gerhard Schröder musste mehrfach mit Rücktritt drohen, um seine Truppen zu disziplinieren und Projekte wie die Gesundheitsreform oder Hartz IV durchzupauken. Wenn sich die Abweichler nun hinstellen und darauf verweisen, noch jedes Mal die Regierungsmehrheit gesichert zu haben, dann ist das an Heuchelei kaum zu überbieten. Wenn nur so getan wird, als gäbe es Vertrauen, dann stellt sich auch weniger die Frage, was die Koalition alles gemeinsam an Gesetzen verabschiedet hat. Eher geht es darum, was sie wegen des Widerstands im eigenen Laden nicht verabschieden konnte. Lässt man Schröders pflichtgemäße Angriffe auf Merkel & Co. beiseite, dann basiert sein Plädoyer für Neuwahlen auf einer nüchternen Erkenntnis: Seht her, ich bin nicht an der Opposition gescheitert, sondern an den eigenen Leuten. Umso abenteuerlicher klingt es, wenn sich der Noch-Kanzler nun eine neue Legitimation für seine Agenda beim Wähler erhofft. Seit ihrer Verkündung im März 2003 hat die SPD bei jeder Landtagswahl verloren. Warum sollte ihr Stern ausgerechnet bei vorgezogenen Bundestagswahlen aufgehen? Noch seltsamer ist, dass die Genossen mit einem misstrauten Kanzler in den Wahlkampf ziehen, der sich bis zur Unkenntlichkeit verleugnen muss. Schröder hat dann nämlich für ein Wahlmanifest zu werben, das die Agenda 2010 vergessen machen will: Reichensteuer, Mindestlöhne, verlängerte Bezugsdauer beim Arbeitslosengeld I das mutet wie eine Rolle rückwärts an. Bleibt die Frage, warum Schröder nicht selbst zurücktritt. Die Antwort ist simpel: Der Kanzler mag nicht als Versager in die Geschichte eingehen. Dann lieber als tragischer Held. Er ist überzeugt, dass die Agenda 2010 richtig ist. Er weiß aber auch, dass sie mit dieser SPD nicht fortsetzbar ist. Paradox, aber wahr: Mit den voraussichtlichen Neuwahlen hat Schröder den Grundstein dafür gelegt, dass seine Agenda von der Union weitergeführt werden kann.
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