Lausitzer Rundschau: Zu EU-Chemierichtlinie: Zu viel der Empörung
Cottbus (ots)
Die Lausitzer Rundschau, Cottbus, zu EU-Chemierichtlinie:
Muttermilch konfrontiert unsere lieben Kleinen von ihrem ersten Tag an mit der chemischen Industrie. Dass die Konzentration von Schadstoffen in der noch immer besten Nahrung für Säuglinge weiter zunimmt und deren Entwicklung gefährdet, sorgt im Land regelmäßig für Entsetzen. Nicht anders ist es, wenn Verbraucherschützer oder Warentester vor Polycarbonat in Babyfläschchen oder Formaldehyd in Kleidungstücken warnen. Ersteres befördert die Unfruchtbarkeit, Letzteres Allergien. Wenn allerdings die EU in einer Chemikalienrichtlinie dafür sorgen will, dass Chemikalien vor ihrem Einsatz in Teppichen, Computern, Hamburger-Verpackungen oder Waschmitteln auf ihre gesundheitliche Unbedenklichkeit geprüft werden, ist der Aufschrei in der Bevölkerung nicht minder groß. Die einen sehen einen neuen bürokratischen Koloss heraufziehen, die anderen fürchten den Niedergang eines wichtigen Industriezweiges. Mit leidenschaftlicher Empörung gibt es in diesem Land kein Problem, dafür aber offensichtlich mit dem Denken in Zusammenhängen. Chemische Stoffe verbessern in unterschiedlichsten Produkten Materialeigenschaften. Das aber ist nur ein Aspekt eines komplexen Sachverhaltes. Unweigerlich gehören dazu die potenzielle Unverträglichkeit bis hin zu Folgekosten im Gesundheitswesen. Die EU-Chemikalienrichtlinie, über die seit zwei Jahren gestritten wird und für die das Europäische Parlament jetzt zwar zaghaft, aber immerhin die Tür aufgestoßen hat, wird in Politik und Wirtschaft als ein klassischer Zielkonflikt thematisiert. Auf der einen Seite stehen Arbeitsplätze, auf der anderen die Gesundheit. Besonders intelligent klingt das nicht. Einer modernen Gesellschaft sollte es möglich sein, ihren Wohlstand so zu erwirtschaften, dass die Nutznießer davon nicht gerade krank werden. Die bewusste Folgen- abschätzung eingesetzter Chemikalien sollte dabei, wie bei Medikamenten, eine Selbstverständlichkeit sein. Auch wenn Produkte dadurch etwas teurer werden. Trotz der gestrigen Abstimmung sind nicht alle Messen gesungen. Noch muss der EU-Ministerrat entscheiden. Dessen Votum ist auf Drängen Deutschlands verschoben worden. Die neue Regierung, hieß es, brauche Zeit für eine Meinungsbildung. Das stimmt. Im Koalitionsvertrag fordern Union und SPD, durch eine Nachbesserung der Richtlinie die Chemikaliensicherheit zu verbessern, ohne dabei die Herstellung von Chemikalien zu verteuern oder ihre Anwendung zu behindern. Übersetzt heißt das: An der nächsten Weggabelung halten wir uns links und rechts.
ots-Originaltext: Lausitzer Rundschau
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