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Lausitzer Rundschau: Zum Mord an der russischen Journalistin Anna Politkowskaja: Mutige Anklägerin

Cottbus (ots)

Mit einfachen Worten hatte Anna Politkowskaja ihre
Berufung umschrieben: Ich lebe nur und schreibe auf, was ich erlebe. 
Am Sonnabend ist sie in Moskau ermordet worden. So wie es aussieht, 
für eben genau diese schlicht beschriebene Tätigkeit. Ebenso simpel, 
aber umso erschreckender ist die Erklärung dafür: Wer im russischen 
Alltag einfach nur hinschaut und authentisch darüber berichtet, lebt 
gefährlich. Vor allem, wenn es um die Interessen der wirtschaftlichen
Eliten und des Sumpfs aus Militär, Geheimdienst und einer vom Kreml 
gesteuerten Justiz geht.
Dass diese Sphären in Wladimir Putins gelenkter Demokratie, wie 
Politikexperten die staatliche Ordnung in Russland nennen, kaum noch 
voneinander zu trennen, sondern an vielen Stellen mafiaähnlich 
miteinander verzahnt sind, hat Anna Politkowskaja bis zum Schluss 
vehement angeprangert. Dieser Mut verdient den höchsten Respekt. 
Eindrucksvoll hat die Autorin mehrerer Bücher berichtet, wie Prozesse
um Verbrechen russischer Soldaten an tschetschenischen Zivilisten 
verschleppt werden oder wie höchste Staatsorgane kremltreuen 
Fabrikbesitzern im Ural dabei unter die Arme greifen, Richter zu 
kaufen und Konkurrenten aus dem Weg zu räumen. Mit Anna Politkowskaja
verliert die schwindende kritische Öffentlichkeit im Riesenreich eine
ihrer wichtigsten Stimmen. Die zahllosen Journalisten, die sich aus 
Angst vor staatlicher Repression tagtäglich in Selbstzensur üben, 
dürften sich in ihrer Haltung bestätigt fühlen - und weitere Kollegen
davon überzeugen, sich dem Duckmäusertum vor der Obrigkeit 
anzupassen.
Morde an kritischen Journalisten und korrupte Behörden: 
Zivilgesellschaften sehen anders aus. Eine solche beansprucht 
Russland aber zu sein. Wie das zusammenpasst, sollte Präsident Putin 
erläutern, wenn er morgen zum Petersburger Dialog nach Dresden kommt.
Dann hat Kanzlerin Angela Merkel Gelegenheit, den Russen von der 
Kraft der Freiheit zu überzeugen, die sie am 3. Oktober beschworen 
hatte. Wenigstens das hätte Anna Politkowskaja verdient.

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