Lausitzer Rundschau: Die USA nach den Wahlen zum Kongress Der torkelnde Riese
Cottbus (ots)
In der Nacht zu gestern ging sie zu Ende, die Präsidentschaft des George W. Bush. Was auch immer in den nächsten beiden Jahren noch passieren mag, der Mann im Weißen Haus ist tatsächlich nicht länger das, was seine Landleute "in charge" nennen. Er gibt nicht mehr den Ton an. Im Abgeordnetenhaus haben die Demokraten deutlich und nach zwölf Jahren zum ersten Mal wieder gewonnen. Im Senat mag es vielleicht mit den bekannten Wahltricks doch noch eine republikanische Mehrheit geben. Aber die nützt dem Präsidenten aus Texas schon deswegen wenig, weil einige seiner dortigen Parteifreunde jetzt in den Kampf um seine Nachfolge ziehen. Dabei werden sie sehr genau darauf achten, möglichst viel Distanz zu gewinnen zu einem Mann, den die Mehrheit der Amerikaner am liebsten heute noch nach Hause schicken würde. Da er aber bleibt, torkelt die von sechs Bush-Jahren gezeichnete Supermacht noch einige Zeit orientierungslos durch die Gegend. Erst die nächste Wahl in zwei Jahren kann zu einer tiefgreifenden Neuausrichtung der Politik in Washington führen. Die wird, so jedenfalls lautet das Votum der Wähler, überfällig. Die Angst vor dem Terror ist dem Misstrauen gegenüber den scheinbar so klaren, einfachen Wahrheiten des George W. Bush gewichen. Für Europa bietet der Ausgang des Urnengangs zunächst nur die Gewissheit, die schlimmsten der bösen Überraschungen hinter sich zu haben. Es wäre allerdings ein Armutszeugnis für die Politiker auf diesem Kontinent, wenn es dabei bliebe. Sie haben jetzt in Washington wieder durch Wahlen legitimierte Ansprechpartner, die nicht nur zuhören können, sondern auch mitentscheiden. Und Europa wird sehr wohl dazu beitragen können, aufzuräumen mit den schlimmsten Auswüchsen eines arroganten Alleinvertretungsanspruchs. Nötig dafür ist eine halbwegs abgestimmte Agenda im Umgang mit diesem hilflosen Riesen. Dafür bedarf es der Abstimmung diesseits des Atlantiks bei solch heiklen Fragen wie dem Irak. Und es bedarf klarer Prioritäten in der EU. Die deutsche Präsidentschaft wird mehr noch als bislang geglaubt auch zur transatlantischen Herausforderung.
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