Mitteldeutsche Zeitung: Politik/Geschichte Opferverband greift PDS-Politikerin an Gedenkstättenstiftung: Rücktritt von Ex-Stasi-IM gefordert
Halle (ots)
Die Gedenkstättenstiftung Sachsen-Anhalt wird durch Personalquerelen belastet. Opferverbände fordern den Rückzug der PDS-Landtagsabgeordneten Gudrun Tiedge aus dem Stiftungsrat. Sie hat in der DDR als Staatsanwältin und für die Stasi als Inoffizielle Mitarbeiterin (IM) gearbeitet. "Die Nominierung von Frau Tiedge ist eine Provokation der PDS", sagte Johannes Rink, Vorsitzender der Vereinigung der Opfer des Stalinismus (VOS), der in Halle erscheinenden Mitteldeutschen Zeitung (Donnerstagausgabe). Sie könne die DDR-Vergangenheit nicht objektiv aufarbeiten. Laut Rink lassen wegen Tiedge insgesamt drei DDR-Opferverbände ihre Mitgliedschaft ruhen.
Tiedge lehnte gegenüber der MZ einen Rücktritt ab. "Ich habe zu meiner Vergangenheit eine sehr kritische Haltung eingenommen." Sie sei deshalb nun sehr wohl in der Lage, objektiv in der Stiftung mitzuarbeiten. PDS-Fraktionschef Wulf Gallert will an Tiedge festhalten und kritisierte, dass die Opferverbände ihre Mitgliedschaft an Tiedges Schicksal koppeln. "Das hat etwas von Erpressung", so Gallert. Tiedge hatte als 18-jährige für die Stasi Berichte über Mitschüler geschrieben und später als Staatsanwältin an Republikflucht-Urteilen mitgewirkt. Das war 1998 bekannt geworden, als sie den Vorsitz im Rechtsausschuss des Landtages bekam. Nach einer hitzigen Debatte wählte das Parlament sie deswegen mit Zweidrittel-Mehrheit ab.
Unterstützung bekamen die Opferverbände von SPD-Landtagsfraktionschefin Katrin Budde, die ebenfalls Tiedges Rückzug forderte. "Sie war IM, sie ist für den Posten nicht geeignet." Die PDS müsse reagieren, sonst werde die Stiftung schwer beschädigt. Kritik kam auch von Bürgerrechtlern. "Das ist ein Schlag ins Gesicht der Opfer", sagte Tobias Hollitzer vom Bürgerkomitee Leipzig. Ähnlich äußerte sich die hallesche Bürgerrechtlerin Heidi Bohley. "Dass jemand, der als Staatsanwalt Leute ins Gefängnis gebracht hat, nun solche Schicksale aufarbeiten will - das ist völlig unglaublich."
Pressekontakt:
Rückfragen bitte an:
Mitteldeutsche Zeitung
Chefredaktion
Tel.: 0345 565 4307
Original-Content von: Mitteldeutsche Zeitung, übermittelt durch news aktuell