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Ein fragiles Konstrukt/Die Waffenruhe im Libanon könnte nach jeder Provokation hinfällig sein/ Ein Leitartikel von Maria Sterkl

Jerusalem (ots)

Es kommt eher selten vor, dass Bilder von Autokolonnen das Herz erwärmen. Dass Hunderttausende Menschen im Libanon am Mittwoch endlich wieder in ihre Häuser im Süden zurückkehren konnten, war einer der raren positiven Momente seit dem 7. Oktober. Verloren wurde in diesem Krieg viel. Was aber wurde gewonnen? Zu Beginn des Krieges hofften viele, dass man am Ende dieser Kampfrunde ein Stück weiter sein würde als zum Ende des letzten Libanonkriegs vor 18 Jahren. Dieses Mal sollte die Hisbollah danach nicht mehr in der Lage sein, sich zu reorganisieren und neu zu bewaffnen.

Die Hoffnungen haben sich nur zum Teil erfüllt. Israel hatte diesen Krieg lange und gewissenhaft vorbereitet, das konnte man an den Pager-Attacken und der erfolgreichen Tötung der wichtigsten Hisbollah-Kommandeure ablesen. Dass der Libanonoffensive ein fast einjähriger Krieg gegen die Hamas in Gaza vorausgehen würde, war in dieser Planung jedoch nicht vorgesehen gewesen. Als die israelischen Bodentruppen in den Libanon eindrangen, waren die Reservisten bereits erschöpft.

Dazu kommt, dass es der Hisbollah zuletzt öfter gelang, israelische Städte zu treffen und Zivilisten zu töten. Geschwächt war nämlich nicht nur die Hisbollah, sondern auch Israels Luftabwehr. Der stockende Nachschub aus den USA machte sich bemerkbar. Die eiserne Kuppel war rostig geworden. Diese Waffenruhe war somit auch aus israelischer Sicht eine Art Notbremse.

Alles hängt nun von den kommenden Wochen ab. Es braucht nur wenig, um den Krieg wieder neu zu entfachen. Dass die Kommandokette der Hisbollah gestört ist, ist wichtig. Es birgt aber auch Risiken. Es könnte nun an jener nötigen Aufsicht fehlen, die so manchen übermotivierten Fanatiker in den örtlichen Zellen in die Schranken weist.

Dass Israels Armee jetzt auch auf die kleinste Provokation reagieren muss, ist eine Forderung, die man in Israel von vielen Seiten hört. Nur keine Schwäche zeigen, lautet die Parole. Sobald auch nur ein Radwan-Kämpfer im Südlibanon seinen Kopf hebt, heißt es: Zurückschießen.

All diese Bausteine ergeben ein äußerst fragiles Gebäude. Die Erwartung, dass dieser Krieg einen Neuanfang bringen würde, war aber ohnehin unrealistisch. Dafür braucht es nämlich mehr als Dutzende gesprengte Raketenlager und getötete Kämpfer. Es erfordert finanzielle Mittel und den politischen Willen, auch in Europa, um dem Libanon aus seinem jahrzehntelangen Tief zu verhelfen.

Geld braucht es auch, um den evakuierten Bewohnern der nördlichen Gebiete Israels die Rückkehr in ihre Häuser zu erlauben. Israels Finanzminister, der rechtsradikale Siedleraktivist Bezalel Smotrich, hat aber bereits vorgerechnet, wofür er die knappen Budgetmittel viel lieber ausgeben möchte: für die Besiedlung des Gazastreifens durch Israel.

Womit die wohl am schwierigsten zu lösende Frage angesprochen wäre: ein Ende des Horrors in Gaza. Dort schwemmen Regenfälle gerade die Zelte der Vertriebenen weg, die Kälte bringt neue Infektionswellen. Die Not dieser Menschen zu lindern, scheint nicht mehr die oberste Priorität der scheidenden US-Administration zu sein. Der Hamas in Gaza war das ohnehin nie ein Anliegen. Und in Israels Bevölkerung sind die Kräfte, die den Krieg auch in Gaza beenden und die Geiseln endlich zurückholen möchten, zwar in der Mehrheit. Sie sind aber nicht an der Macht. Und Neuwahlen sind auch weiterhin nicht in Sicht.

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