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EKD - Evangelische Kirche in Deutschland

Menschenwürde als Maßstab der Europapolitik ./. Rat der EKD äußert sich zur deutschen EU-Ratspräsidentschaft

Hannover (ots)

Aus Anlass der EU-Ratspräsidentschaft der
Bundesrepublik Deutschland hat der Rat der Evangelischen Kirche in 
Deutschland (EKD) in einer Erklärung betont, dass "für den 
christlichen Glauben die Menschenwürde unbedingten Charakter habe." 
Sie leite sich nicht aus Leistungen ab, sondern sei jedem Menschen 
von Gott zuerkannt worden. Sie gelte universell und beziehe sich auch
auf die, "die sich nicht artikulieren können: Ungeborene, Behinderte,
Sterbende" heißt es in der Erklärung, die zwischen den Jahren 
veröffentlicht wird.
Die EKD trete unverändert dafür ein, dass in den europäischen 
Verfassungsvertrag ein ausdrücklicher Bezug auf die Verantwortung vor
Gott und auf die Bedeutung der jüdisch-christlichen Tradition 
aufgenommen wird. Der Rat sieht in dem Europäischen 
Verfassungsvertrag und der Grundrechtecharta einen wichtigen Ansatz 
dafür, das Eintreten für Grundrechte und Demokratie als gemeinsame 
Verpflichtung wahrzunehmen, heißt es in der Erklärung. Der Rat der 
EKD erwartet, dass europäische Politik am Maßstab der Menschenwürde 
und eines ihr entsprechenden Menschenbildes ausgerichtet werde. So 
dürfe Bildung nicht allein auf den Erwerb von beruflichen Kompetenzen
reduziert werden, sondern umfassend und über die Einsetzbarkeit von 
Menschen hinausgehend organisiert werden.
Eine "faire, effektive und transparente Zuwanderungspolitik" wird 
vom Rat ebenso gefordert wie der Einsatz für die Menschenrechte auch 
in den Nachbarstaaten der EU. Als weitere Beispiele werden in dem 
Schreiben  die globale Armutsbekämpfung und eine verantwortliche 
Energiepolitik verbundne mit einem aktiven Klimaschutz.
Hannover/Berlin, 29. Dezember 2006
Pressestelle der EKD
Christof Vetter
Nachfolgend im Wortlaut:
Erklärung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) 
aus Anlass
der Ratspräsidentschaft der Bundesrepublik Deutschland
in der Europäischen Union
I.
Seit dem Jahr 1989 haben sich die politischen Verhältnisse in 
Europa tiefgreifend gewandelt. Zahlreiche Länder, die nicht nur von 
Westeuropa aus jenseits des Eisernen Vorhangs lagen, sondern auch 
einen politischen Gegensatz zu den Europäischen Gemeinschaften 
bildeten, haben ihren Beitritt zur Europäischen Union erklärt. Der 
Dank für diesen friedlichen Wandel verbindet sich mit einer 
entsprechenden Verpflichtung für die Zukunft. Für den weiteren Weg 
der Europäischen Union ist es entscheidend,  dass die 27 
Mitgliedsstaaten sich als eine Wertegemeinschaft verstehen und eine 
verlässliche europäische Politik nach innen wie nach außen gemeinsam 
verantworten. Schon heute beruht Europa auf den gemeinsamen 
Grundwerten von Freiheit, Gerechtigkeit, Demokratie und 
Menschenrechten. Fundament dieser europäischen Grundwerte ist die 
Garantie der Menschenwürde. Ihr Ziel ist ein Zusammenleben in Frieden
und Solidarität.
Für den christlichen Glauben hat die Menschenwürde unbedingten 
Charakter. Sie leitet sich weder aus bestimmten Eigenschaften noch 
aus bestimmten Leistungen der Menschen ab. Sie ist vielmehr eine 
Würde, die jedem Menschen von Gott zuerkannt wird. Sie gilt 
universal, also auch für den, der sich für ihre Begründung und 
Herleitung auf andere Quellen als diejenigen des Glaubens beruft. Sie
bezieht sich auch auf die, die sich nicht artikulieren können: 
Ungeborene, Behinderte, Sterbende.
Zu den Konsequenzen dieser Würde gehört, dass der Mensch in keiner
Phase seines Lebens nur unter dem Gesichtspunkt seiner Nützlichkeit 
oder Brauchbarkeit betrachtet werden kann; er darf niemals bloß als 
Mittel zum Zweck angesehen werden. Wenn mit der Übernahme der 
EU-Ratspräsidentschaft durch Deutschland im ersten Halbjahr 2007 
zugleich das "Europäische Jahr der Chancengleichheit für alle" 
beginnt, so findet dieser Gedanke hierin einen konkreten Ausdruck.
Die christlich-jüdische Tradition hat die Entwicklung der 
Grundwerte der Europäischen Union wesentlich geprägt. Diese 
Grundlagen müssen immer wieder neu verdeutlicht und verstärkt ins 
Bewusstsein gehoben werden. Denn die Bürgerinnen und Bürger werden 
sich mit der Europäischen Union nur in dem Maß identifizieren, in dem
sie sich auf die Achtung ihrer jeweiligen Kultur, Religion und 
Geschichte verlassen können.
Die Evangelische Kirche in Deutschland sieht in dem Europäischen 
Verfassungsvertrag und der Grundrechtecharta einen wichtigen Ansatz 
dafür, das Eintreten für Grundrechte und Demokratie als gemeinsame 
Verpflichtung wahrzunehmen. Sie tritt unverändert dafür ein, dass in 
den europäischen Verfassungsvertrag ein ausdrücklicher Bezug auf die 
Verantwortung vor Gott und auf die Bedeutung der jüdisch-christlichen
Tradition aufgenommen wird.
II.
Europäische Politik nach diesen Wertvorstellungen zu gestalten 
heißt, sie am Maßstab der Menschenwürde und eines ihr entsprechenden 
Menschenbildes auszurichten. Dazu gehört es, Bildungschancen für alle
zu eröffnen und Befähigungsgerechtigkeit insbesondere für die junge 
Generation zu verwirklichen. Gerade in diesem Bereich müssen 
Benachteiligungen überwunden statt verfestigt werden. Die Beachtung 
der Menschenwürde lässt es nicht zu, dass der Bildungsanspruch jedes 
Menschen auf den Erwerb von beruflichen Kompetenzen reduziert wird. 
Bildung ist vielmehr umfassend und geht über die Einsetzbarkeit von 
Menschen im Dienst der globalen Konkurrenzfähigkeit eines Landes 
hinaus.
Aus dem Respekt für die gleiche Würde jedes einzelnen ergibt sich 
auch die Verpflichtung, eine stabile Sozialordnung zu entwickeln, die
den sozialen Frieden gewährleistet und auch schwache, benachteiligte,
behinderte und alte Menschen einbezieht. Diese Aufgabe ist ebenso 
wichtig wie die Gestaltung einer Wettbewerbsordnung, die gute 
Rahmenbedingungen für effektives wirtschaftliches Handeln schafft.
In den Kriegen des letzten Jahrhunderts haben viele Menschen unter
Gewalt, Armut und Vertreibung gelitten. Gerade deshalb kommt der 
Europäischen Union eine besondere Verantwortung für Menschen zu, die 
als Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention oder als 
anderweitig Verfolgte internationalen Schutzes bedürfen. Die 
Europäische Union darf sich nicht wie eine "Festung" abschotten. Die 
weitere Harmonisierung der europäischen Asylsysteme ist dringlich. 
Internationale Menschenrechtsstandards und die Wahrung der 
Menschenwürde sind unverletzliche Grundlagen auch beim Umgang mit 
irregulären Einwanderern. Eine gemeinsame faire, effektive und 
transparente Zuwanderungspolitik sowie die Verbesserung der 
Rechtsstellung von Flüchtlingen, Zuwanderern und Menschen ohne 
regulären Aufenthaltsstatus sind dringend notwendig.
Mit ihrer Nachbarschaftspolitik will die Europäische Union zur 
Stabilisierung Europas jenseits der neuen Außengrenzen einen "Ring 
befreundeter Länder" mit zunehmend engeren Beziehungen aufbauen, ohne
dass diese Staaten der EU beitreten. Bei der Weiterentwicklung dieser
Politik müssen neben der Vertiefung der wirtschaftlichen Kooperation 
die Menschenrechte sowie der Kampf gegen Menschenhandel stärkeres 
Gewicht erhalten. In der politischen Zusammenarbeit muss dabei 
vorausgesetzt werden, dass diese Nachbarstaaten als offene 
Gesellschaften verfasst sind, die unterschiedlichen Lebensformen und 
Lebensentwürfen Raum geben.
Die Europäische Union wird in wachsendem Maß globale Verantwortung
wahrnehmen. Wir befürworten, dass die Europäische Union in der 
Entwicklungszusammenarbeit die Armutsbekämpfung als vorrangiges Ziel 
anerkennt. Wir treten für eine entwicklungspolitisch stimmige 
Gestaltung aller Politikbereiche ein.
Der Klimawandel macht deutlich, dass uns eine Erde mit begrenzten 
Ressourcen anvertraut ist und wir den Folgen unseres Lebensstils 
nirgendwo entkommen. Energiepolitik muss als aktiver Klimaschutz 
verstanden werden und sollte sich daher nicht allein an den Zielen 
von Wettbewerbsfähigkeit und Versorgungssicherheit ausrichten. 
Vielmehr muss der Nachhaltigkeit höchste Priorität eingeräumt werden,
damit die Lebensgrundlagen der kommenden Generationen nicht heute 
aufgebraucht werden. Dem dienen insbesondere die Entwicklung 
erneuerbarer Energien und die Verbesserung der Energieeffizienz.
III.
Seit Jahrzehnten ist die Evangelische Kirche in Deutschland 
eingebunden in kirchliche europäische Netzwerke, insbesondere als 
Mitglied der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) und der 
Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE). In diesen, die 
Grenzen überschreitenden Gemeinschaften leisten die europäischen 
Kirchen in Begegnungen, Partnerschaften, Dialogen und Projekten 
vielfältige Beiträge zur Vertiefung einer europäischen 
Wertegemeinschaft und zum Zusammenwachsen unseres Kontinents. Die 
ökumenische Gemeinschaft der Kirchen ist ein Modell für die Einheit 
in versöhnter Verschiedenheit, wie sie in Europa gebraucht wird. Die 
3. Europäische Ökumenische Versammlung in Sibiu/Hermannstadt im 
September 2007 wird unter dem Thema stehen: "Das Licht Christi 
scheint auf alle - Hoffnung auf Einheit und Erneuerung für Europa". 
Damit wird ein zentrales Motiv unseres christlichen Glaubens 
aufgenommen, das wir in die europäische Wertegemeinschaft einbringen:
Christus als Licht der Welt zeigt uns den Weg dazu, für Menschenwürde
und Menschenrechte sowie für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung
der Schöpfung einzutreten.
Hannover, im Dezember 2006

Pressekontakt:

Evangelische Kirche in Deutschland
Hans-Christof Vetter
Herrenhäuser Strasse 12
D-30419 Hannover
Telefon: 0511 - 2796 - 269
E-Mail: christof.vetter@ekd.de

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