Stephen Fry über Doku „Willem und Frieda – Widerstand gegen die Nazis“: „Unser Film stellt die Frage: Was hätte ich gemacht, wenn ich damals dort gelebt hätte?“
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Stephen Fry: „Unser Film stellt die Frage: Was hätte ich gemacht, wenn ich damals dort gelebt hätte?“
Interview mit Stephen Fry zur Dokumentation „Willem und Frieda – Widerstand gegen die Nazis“ – jederzeit auf Abruf bei HISTORY Play (über Amazon und YouTube) und via WOW, GigaTV und MagentaTV sowie am 27. Februar um 1:10 Uhr auf dem HISTORY Channel
München, 26.2.2025: Während der Besetzung der Niederlande im Zweiten Weltkrieg fälschten der Maler Willem Arondeus und die Cellistin Frieda Belinfante Ausweise, die tausenden Jüdinnen und Juden das Leben retteten. Doch von den Ausweisen gab es Duplikate im Amsterdamer Zentralarchiv, um Fälschungen zu verhindern. Diese mussten vernichtet werden. Für die Dokumentation „Willem und Frieda – Widerstand gegen die Nazis“ fuhr der britische Schauspieler Stephen Fry („Monty Python“) nach Amsterdam, um herauszufinden, warum diese unglaubliche Geschichte bis heute kaum bekannt ist.
Stephen, stimmt es, dass ihr die Doku „Willem und Frieda – Widerstand gegen die Nazis“ bereits 2023 gedreht habt?
Ja, das ist richtig. Es ist gefühlt bereits eine lange Zeit her, wenn man bedenkt, wie sich Geschichte derzeit entwickelt. Wir drehten „Willem und Frieda – Widerstand gegen die Nazis“ im Frühling 2023, vorwiegend in Amsterdam. Es war eine sehr erfreuliche Erfahrung, diesen Dokumentarfilm zu machen. Manchmal kennst du das Sujet, zu dem du bereits einen Bezug und einiges Wissen hast, das du dann an dein Publikum weitergibst. Aber manchmal, und diese Produktion ist ein gutes Beispiel dafür, machst du eine Dokumentation, weil du eine Geschichte entdeckst, die du zuvor gar nicht kanntest. Das hat seine eigene Faszination. So ging es mir mit der Geschichte von Willem und Frieda.
Wer hat dir von dieser Geschichte erzählt?
Das waren John Hay und Rik Carmichael, die die ganze Geschichte recherchierten. Wir trafen uns in einer Bar, und die beiden erzählten mir von den zwei außergewöhnlichen Menschen, Willem Arondeus und Frieda Belinfante. Ich war sofort von ihrer Geschichte berührt und fasziniert. Was mich vor allem beschäftigte: dass ihre Namen zunächst einfach aus der Geschichte verschwanden. Selbst die meisten Niederländer hatten lange Zeit nicht mal von ihnen gehört.
Willem war schwul, Frieda lesbisch, beide halfen sie etlichen Juden, sich vor den Repressalien der Nationalsozialisten zu schützen. Sind Minoritäten in kritischen Situationen besonders in der Lage zu helfen?
Eine Frage, die sich jeder selbst oder die man Familienangehörigen und Freunden stellen könnte, ist: Wie sehr muss man einer Minderheit angehören, um Sympathien für andere Minderheiten zu empfinden? In der aktuellen Welt ist es für viele schwierig, sich klarzumachen, was es bedeutet, einer unterdrückten Minderheit anzugehören. Umso mehr sind die zu bewundern, die sich für Schwule, Lesben, Transgender oder andere Queere einsetzen, auch wenn sie persönlich nicht betroffen sind.
Im Falle von Frieda und Willem war immerhin erste als sogenannte „Halbjüdin“, wie es in der Sprache der Nazis hieß, betroffen.
Ja, und Willem war es nicht peinlich, gegenüber seinen Freunden zu offenbaren, dass er, der selbst als schwuler Mann einer Minderheit angehörte, sich der jüdischen Minderheit in den Niederlanden verbunden fühlte. Frieda hatte jüdische Wurzeln, und sie war Musikerin. Für sie war die anti-künstlerische, brutale Vulgarität des Nationalsozialismus ein ebenso guter Grund, ihn zu hassen, wie jeder politische Grund. Man wusste, dass der Nationalsozialismus falsch ist, allein weil er gute Kunst ablehnte. Die vulgäre Brutalität der Denkweise der Nazis reichte schon aus, um zu erkennen, womit man es zu tun hatte. Und als wir die Dokumentation drehten, wurde uns klar: Das passiert jetzt wieder.
Inwiefern?
Manche Leute in rechten Regierungen sagen, dass Künstler elitär seien. Elitär meint hier, dass man die Ansichten von Künstlern ignorieren könne. Wir können den Aufstieg einer rechten Bewegung derzeit beispielsweise in Ungarn und Österreich, möglicherweise auch in Deutschland, beobachten. Eine Bewegung, die zwar nicht absolut identisch ist mit dem Nationalsozialismus, ihm aber näher ist als alles, was wir uns bisher vorstellen konnten. Das Schicksal von Frieda und Willem zu erzählen, und das, was sie getan haben, finde ich sehr wichtig, da dadurch deutlich wird, was in der Geschichte passiert ist. Wenn wir heute über Geschichte sprechen, geschieht das oft auf sehr abstrakte Weise, man verliert sich dann schnell in Begriffen wie rechts, links, Faschismus, Populismus usw. Doch wenn man sagt: Seht euch dieses Leben an, schaut euch an, was Willem und Frieda getan haben, seht, was ihnen passiert ist – dann versteht man Geschichte. Unser Film regt zum Nachdenken an und stellt die Frage: Was hätte ich gemacht, wenn ich damals dort gelebt hätte? Hätte ich geschwiegen oder wäre ich mutig gewesen und hätte für die Unterdrückten gekämpft?
Ist es nicht paradox, dass Frieda und Willem ausgerechnet in den Niederlanden in Vergessenheit gerieten?
Ja, wenn man bedenkt, dass die Niederlande als Land der allgegenwärtigen Toleranz gelten: das Land, in dem die Prostitution früh legalisiert wurde und das Schwulen und Lesben früher als anderswo in Europa erlaubte zu heiraten. Doch ein niederländischer Freund erinnerte mich vor Kurzem daran: „Vergiss nicht, dass wir der Welt auch die Apartheid gaben. Das ist eine niederländische Erfindung.“ Was ich damit sagen möchte: Alle Menschen, egal woher sie stammen, sind zu Heldentaten fähig, aber ebenso zu Grausamkeit und Barbarei, Mord und Gewalt und schlichtweg zu Ignoranz. Das zeigt auch unsere Dokumentation. Ich finde, es ist eine wichtige Geschichte, die man erzählen sollte. Und je mehr ich mich mit Willem und Frieda beschäftigte, je mehr ich mit Historikern und Archivaren sprach, desto beeindruckter war ich.
Was hat dich im Zuge der Recherchen über die beiden Widerstandskämpfer am meisten berührt?
Einer der Archivare zeigte mir einen der sogenannten „Judensterne“, die sich Jüdinnen und Juden in der Nazi-Zeit anstecken mussten. Allein, einen solchen zu berühren, war für mich wie ein elektrischer Schlag, ein schreckliches Gefühl.
Interview: Marc Hairapetian, Verwendung honorarfrei
„Willem und Frieda – Widerstand gegen die Nazis“, anderthalbstündige Dokumentation – jederzeit auf Abruf bei HISTORY Play (über Amazon und YouTube) und via WOW, GigaTV und MagentaTV sowie am 27. Februar um 1:10 Uhr auf dem HISTORY Channel
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