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WAZ: Ökonomie-Ökologie: Kostenrechner ran ans Klima - Leitartikel von Thomas Wels
Essen (ots)
Klar wollen alle die Welt retten. Natürlich sind sich alle einig, dass es das Klima zu schützen gilt. Man darf aber mit Fug darauf hinweisen, dass es sich über das Wie zu streiten lohnt. Die Umwelthysterie der vergangenen Wochen, befeuert von einem nicht ganz uneigennützig agierenden Umweltminister, hat einiges an Rationalität den Sturzbach hinabgespült.
Hannemann, geh' du voran. Sagen wir, es sei sinnvoll, dass Deutschland 40 Prozent CO2 einspart, während die gesamte EU nur 30 Prozent spart. Sinnvoll aus pädagogischen Gründen, weil das Vorbild Deutschland weithin leuchtet; sinnvoll aus ökonomischer Sicht, weil Öko-Hightech Made in Germany den Weltmarkt erobert. Das klingt gut, ist aber naiv. Weil in allen Branchen ein Kampf um Weltmarktanteile tobt, ist immer die Frage nach den Kosten zu stellen. Unbestritten ist, dass in Ländern mit hohen technischen Umweltstandards in Kraftwerken und Industrie die Einsparung jeder weiteren Tonne CO2 teurer ist als in Ländern, die einen niedrigeren Standard aufweisen. Ein Stahlkocher, der bereits viel in Filtertechnik investiert hat, muss deutlich mehr Geld in die Hand nehmen, um noch mehr CO2 einzusparen. Will sagen: Das Ziel von 40 Prozent führt ganz bewusst zu einer überproportionalen Kostenbelastung im Vergleich zu Ländern, die im Wettbewerb mit Deutschland stehen: in Chemie, Energie oder Stahl.
Es ist nüchtern gegenzurechnen: der Vorteil, den die Branche der erneuerbaren Energien auf dem Weltmarkt erfährt, gegen den Nachteil, den die hiesige Industrie zu erleiden hat. Das ist keine Ideologie, sondern Mathematik. Niemand sollte versucht sein, die Umweltpolitiker aus der Beantwortung dieser Fragen zu entlassen. Denn dazu sind die Folgen, zumal in einer Industrieregion, zu gravierend. Nicht alles, was unter dem Gütesiegel Klimaschutz daherkommt, ist sinnvoll. So sind die Mengen an CO2, die ein deutsches Unternehmen zu geringeren Kosten in der Dritten Welt einsparen darf, begrenzt. Warum? Es geht doch ums Weltklima.
Dieselben Politiker, die mit ihrem Instrumentenkasten in den volkswirtschaftlichen Mechanismen herumwerkeln, schreien laut auf, wenn Bier, Brot und Schweineschnitzel teurer werden - obwohl sie es doch waren, die den Anreiz gaben, Rapsöl statt Getreide zu pflanzen. Zugegeben: Die Debatte ist kompliziert. Ohne Kostenrechnung aber ist sie nicht zu führen. Wer einfach nur Klima, Klima ruft, hat am Ende nicht die Welt gerettet. Aber Deutschland, wenn's dumm läuft, de-industrialisiert.
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