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WAZ: Fachkräfte aus dem Ausland Blau? Grün? Schwarz-Rot-Gold - Leitartikel von Katrin Teschner

Essen (ots)

Erst war es Schröders "Green Card", nun soll
Frattinis "Blue Card" kommen. Da Fachkräfte in vielen Ländern Europas
fehlen, will der EU-Kommissar kluge Köpfe aus dem Ausland locken. 
Einwanderung nach Europa soll schneller, leichter, unbürokratischer 
werden. Das ist höchste Zeit.
Schon jetzt suchen besonders exportstarke Branchen händeringend 
gutes Personal. Die Bevölkerung wird immer älter, zu wenig junge 
Leute entscheiden sich für ein technisches Studium. Das kommt 
Deutschland teuer zu stehen - bis zu ein Prozent des 
Bruttoinlandsprodukts kostet der Fachkräftemangel. Mehr als 20 
Milliarden Euro in diesem Jahr, hat das Institut der deutschen 
Wirtschaft errechnet.
Über Details der "Blue Card" mag man streiten, aber der Grundsatz
ist richtig: Damit Europa im Wettlauf um die besten Leute nicht noch 
mehr ins Hintertreffen gerät, muss es seine Hürden für gut 
ausgebildete Arbeitskräfte senken. Denn Maschinenbauer, Ingenieure 
und Informatiker wandern lieber in die Länder aus, die sie mit 
offenen Armen empfangen, allen voran die USA. Es ist auch vernünftig,
dass Europa die Zuwanderung einheitlich regelt. Sonst ziehen sich die
Mitgliedstaaten ihre Spitzenkräfte gegenseitig ab - den Schaden 
hätten Länder wie die Bundesrepublik, die es den Einwanderern schwer 
machen.
Gleichzeitig dürfen sich Politik und Wirtschaft hierzulande aber 
nicht aus der Verantwortung stehlen. Mit Fachkräften aus dem Ausland 
können wir allenfalls Löcher stopfen, nicht aber Probleme lösen, die 
hausgemacht sind. Unternehmen müssen wieder mehr in Ausbildung 
investieren. Die Regierung muss mit dem Bekenntnis zur Priorität 
Bildung endlich ernst machen. Kinder aus Arbeiterfamilien sind an 
Universitäten unterrepräsentiert; die Einführung von Studiengebühren 
hat die Hürden für sozial Schwache zusätzlich erhöht. Gleichzeitig 
sollten sich die Universitäten öffnen für qualifizierte Berufstätige 
ohne klassisches Abitur. Und sie müssen etwas gegen die dramatischen 
Abbrecherquoten tun.
Aber vor allem müssen wir umdenken: Ein höherer Altersschnitt 
bedeutet ja nicht zwangsläufig, dass Arbeitskräfte fehlen. Viele 
Betriebe suchen Ingenieure frisch von der Uni. Dabei gibt es Tausende
ältere, gut ausgebildete Facharbeiter, die keine Stelle finden. 
Werden sie weitergebildet, könnten Engpässe beseitigt werden. So 
begrüßenswert es ist, wenn sich das blaue Europa der Sache mit 
annimmt - die Hauptverantwortung liegt weiter da, wo schwarz-rot-gold
geflaggt wird.

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