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WAZ: Erdogans Besuch in Washington: Türkisches Vietnam - Kommentar von Gerd Höhler

Essen (ots)

Viel herausgekommen ist nicht beim Besuch Tayyip
Erdogans im Weißen Haus: Präsident George W. Bush brandmarkte die PKK
als "gemeinsamen Feind" und versprach den Türken 
"nachrichtendienstliches Material" über die Bewegungen der kurdischen
Rebellen im Nordirak. Dafür hätte Erdogan nicht nach Washington 
fliegen müssen. Das hatte ihm bereits US-Außenministerin Condoleezza 
Rice versprochen - einschließlich "wirksamer Maßnahmen" gegen die 
PKK.
Worin die bestehen sollen, ließ auch Bush offen. Eine 
Bereitschaft, US-Truppen auf die Rebellen im Nordirak anzusetzen, 
ließ der Präsident nicht erkennen. Trotz dieser mageren Ergebnisse 
äußerte sich Erdogan nach dem Treffen mit Bush "zufrieden". Das 
zeigt: Der türkische Premier will die Eskalation zurückdrehen.
Und er tut gut daran. Erdogan weiß: Bei einer groß angelegten 
Invasion im Nordirak hat er nichts zu gewinnen - außer einem 
flüchtigen Beifallssturm der türkischen Nationalisten. Doch auch 
deren Kriegsbegeisterung dürfte sich schnell legen, wenn die ersten 
Särge mit gefallenen Soldaten aus dem Nordirak heimkehren. 
Militärisch wäre der Einmarsch ein Himmelfahrtskommando, Erdogan muss
fürchten, dass der Türkei im Nordirak ihr "Vietnam" droht.
Aber auch außenpolitisch wäre eine Invasion für die Türkei ein 
Desaster. Das ohnehin belastete Verhältnis zu den USA würde 
irreparablen Schaden nehmen, und die bereits stockenden 
EU-Verhandlungen kämen womöglich ganz zum Stillstand. Schlimmer noch:
Ein türkischer Feldzug könnte sich schnell zu einem Flächenbrand 
entwickeln, der auch auf die Kurdengebiete der Südosttürkei 
übergreift. Eine solche Eskalation würde der extremistischen PKK neue
Anhänger in die Arme treiben.
All das spricht gegen eine Invasion. Was nicht bedeutet, dass 
Erdogan die Hände in den Schoß legen wird. Möglich sind gezielte 
Luftangriffe auf mutmaßliche PKK-Verstecke, gestützt auch auf die 
Erkenntnisse US-amerikanischer Aufklärungsflugzeuge. Auch mit einer 
solchen Strategie wird die PKK freilich nicht vernichtend zu schlagen
sein. Umso wichtiger wird es, an einer politischen Lösung des 
Kurdenproblems zu arbeiten. Die Wurzeln des Konflikts liegen in 
vorenthaltenen kulturellen Rechten, wirtschaftlicher Rückständigkeit 
und sozialem Elend. Nur wenn die Türkei diese Ursachen beseitigt, 
kann sie den Kampf gegen Extremismus und Terror gewinnen.

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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