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WAZ: Merkel in Israel - Eine wunderbare, sensible Beziehung - Leitartikel von Angela Gareis
Essen (ots)
Als ein "Wunder der Geschichte" begreift Bundeskanzlerin Angela Merkel die Beziehung zwischen Israel und Deutschland, und auch Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier nennt die Beziehung "wunderbar". Beide Politiker pflegen grundsätzlich eine sachliche Ausdrucksweise, und sie übertreiben nicht: In den 63 Jahren nach der Befreiung von Auschwitz hat sich eine Freundschaft entwickelt, auf die in der Bundesrepublik niemand hat hoffen dürfen. Niemand hat hoffen dürfen, dass die Israelis zum 60. Gründungstag ihres Staates eigens die Statuten des Parlaments ändern, um eine große Geste zu ermöglichen. Die Kanzlerin wird als erste ausländische Regierungschefin der Welt in der Knesset sprechen, was bisher Staatsoberhäuptern vorbehalten war.
Kritiker unterstellen Merkel eine bedingungsarme Nähe zur israelischen Regierung, weil sie ihre Bedenken gegen Siedlungspolitik und das gewaltsame Vorgehen im Gaza-Streifen nicht öffentlich äußere. Manche glauben, Deutschland riskiere seine Fähigkeit, als Mittler zwischen Israel und den Palästinensern sowie den arabischen Staaten zu fungieren. Wenn aber Merkel in Israel anders als in Russland oder China auf stille Diplomatie setzt, dann ist das klug und sensibel.
Kein Land der Welt hat so viel Grund zu existenziellem Misstrauen wie Israel. Dies anzuerkennen, ist die erste Voraussetzung für eine Freundschaft und deren Vertiefung. Die Freundschaft weltöffentlich zu beeiden, eine zweite. Nur auf der Grundlage von Vertrauen kann Merkel mit Ehud Olmert und Schimon Peres auch Meinungsverschiedenheiten ansprechen. Folgerichtig wird Merkel während ihres dreitägigen Aufenthalts die palästinensischen Gebiete meiden, weil dieser Besuch allein dem Geburtstag des Staates Israel gilt.
Diplomatisch ausgleichend haben Merkel und Steinmeier vor Anbruch der Reise eine Initiative angekündigt, um den Friedensprozess mit allen Beteiligten voranzuführen. Während der Nahost-Konferenz im Juni sollen Israelis, Palästinenser, Vertreter arabischer Staaten und des Nahost-Quartetts in Berlin darüber diskutieren, wie man die Palästinenser auf einen eigenen Staat mit Rechtssystem und Justizbehörden vorbereiten kann. Das ist für die Bundesregierung ein gewagtes Vorhaben, weil die Erwartungen an Konferenzen dieser Art üblicherweise größer sind als deren Ergebnisse. Vielleicht aber kann man das Ziel in den Gedanken besser verwurzeln, wenn man ihm vorgreift und heute schon plant, was im Frieden geschehen kann.
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