Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Koalitions-Beratungen: SPD und CDU - ein Bündnis auf Dauer ? Kommentar von Norbert Robers
Essen (ots)
Sage und schreibe sechs Monate haben CDU und SPD ins Land gehen lassen, bevor die Mitglieder des Koalitionsausschusses gestern Abend mal wieder zusammenkamen. Diese Tatsache erlaubt (mindestens) zwei Interpretationen. Die negative Variante lautet: Die beiden Partner dieser Verstands-Ehe haben sich nichts mehr zu sagen. Oder positiv betrachtet: Das Zweckbündnis verläuft reibungslos, was eine häufigere Einberufung des Gremiums, das unter Rot-Grün oft genug als Krisen-Entschärfungs-Runde gedient hat, überflüssig macht.
Im aktuellen Fall gibt es keinen Grund, von der schlechten Version auszugehen. Aus mehreren Gründen. Das Verhältnis zwischen CDU und SPD ist weitgehend entspannt. Das liegt nicht zuletzt an der bisherigen Bilanz, die sich sehen lassen kann. Föderalismusreform, Entspannung auf dem Arbeitsmarkt, Elterngeld, Haushalts-Konsolidierung: Diejenigen, die bereits vor dem ersten Arbeitstag des Groß-Bündnisses im November 2005 vor einer "Koalition des Stillstands" gewarnt hatten, haben sich getäuscht. Stellt man zudem in Rechnung, dass diese auf Bundesebene ungewöhnliche politische Konstellation nur eine Politik der kleinsten gemeinsamen Nenner denn der großen Taten erwarten lässt, kommt man nicht umhin, von einer bislang erfolgreichen Legislaturperiode zu sprechen.
Daran ändert sich auch nichts, wenn man die Liste der ungelösten Fragen studiert: Bahnreform, Gesundheitsfonds, Mindestlöhne, Erbschaftsteuer-Reform. Aber wer wollte ernsthaft behaupten, dass andere Koalitionen mutmaßlich alle Baustellen bereits abgeräumt hätten? Das befreit aber weder Christ- noch Sozialdemokraten von der Notwendigkeit, dass sie erklären müssen, wie sie die vielen Monate bis zur Bundestagswahl 2009 nutzen wollen - sie müssen die Sinnfrage beantworten.
Etwa mit der Fortsetzung der Haushalts-Sanierung. Das wird schwierig genug werden, da SPD und CDU bereits damit begonnen haben, Wohltaten anzukündigen oder zu verteilen. Zudem spüren beide Parteien, dass es mit jedem Tag, den die Bundestagswahl näher rückt, schwieriger wird, den Spagat zwischen Koalitions-Disziplin und Selbst-Profilierung hinzubekommen. Letz-teres wird irgendwann überwiegen. Aber noch fühlen sich SPD und CDU ihrem Auftrag verpflichtet - und das ist auch gut so.
Schließlich gibt es einen weiteren Grund, bis zuletzt nicht allzu heftig aufeinander einzuprügeln: Vieles spricht dafür, dass Schwarze wie Rote eine weitere Wahlperiode gut miteinander auskommen müssen.
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