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WAZ: Erwins Rezepte fürs Revier - Die Angst vor dem Ausverkauf. Kommentar von Tobias Blasius

Essen (ots)

Düsseldorfs Oberbürgermeister Joachim Erwin schafft
das, was Initiativen, Kampagnen und Runde Tische nur mit Mühe 
hinbekommen: Das Ruhrgebiet spricht mit einer Stimme. Wenn Erwin bei 
den lieben Nachbarn in den Revier-Rathäusern mangelnden Sparwillen 
erkennt, heißt es von Duisburg bis Dortmund reflexartig: Der soll 
sich um seinen Kram kümmern.
Es ist nicht allein Erwins Lust an der Provokation, die 
Abwehrreaktionen hervorruft. Der Düsseldorfer CDU-Mann hält dem 
Ruhrgebiet mit großem Selbst- und Sendungsbewusstsein immer wieder 
seine Paradebilanz vor, was die Lage in den Kommunen mit Nothaushalt 
noch mal so deprimierend erscheinen lässt. Das schmerzt. Düsseldorf 
ist als eine der wenigen Großstädte schuldenfrei, hat plötzlich 
Spielräume, die Kita-Gebühren zu senken. Und wir?
Auch wenn sich die öffentlichen Kassen in der wohlhabenden 
Landeshauptstadt gewiss leichter sanieren lassen als im immer noch 
strukturwandelnden Ruhrgebiet, bleibt Erwins brachialer 
Entschuldungskurs bemerkenswert. Er hat das so genannte städtische 
Tafelsilber verkauft und die Entrümpelung des Konzerns Stadt gegen 
Widerstände aufs Tapet gebracht. Das allein trauen sich nicht viele 
Entscheidungsträger in der Kommunalpolitik. Es gilt als verbrieft, 
dass nur eine kluge Mischung aus Sparen und Privatisieren die roten 
Zahlen allmählich schwarz einfärben kann. Und dennoch: Der Verkauf 
von öffentlichem Eigentum zum Zwecke des Schuldenabbaus wird 
vielerorts als allerletztes Mittel betrachtet. Lieber feilscht man 
mit Sparkommissaren der Finanzaufsicht um jede neue 
Schwimmbad-Kachel. Kommunalpolitik kurios?
Ratsherren und Verwaltungsleuten wird gerne unterstellt, sie 
scheuten Privatisierungen, weil sie sich eingerichtet hätten im 
System der kommunalen Tochtergesellschaften mit ihren vielen schönen 
Pöstchen, Einflusssphären und Aufsichtsräten. Geflissentlich 
übersieht man in diesem Zusammenhang die Unberechenbarkeit von uns 
Bürgern: Es herrscht eine diffuse Privatisierungsangst. Sie findet in
der gestiegenen Zahl der Bürgerbegehren ihren Ausdruck und ermuntert 
keinen Politiker, Wohnungen, Stadtwerke oder Firmenbeteiligungen an 
Investoren, gar an "Heuschrecken" zu verkaufen. Da verkümmern selbst 
hohe Kita-Gebühren und marode Sportplätze plötzlich zur Fußnote im 
öffentlichen Diskurs. Erwins im womöglich nervenden 
Klassenprimus-Gestus vorgetragene Kritik birgt also auch eine Chance:
Die Revier-Städte können die Spar-Debatte neu führen. 
Grundsätzlicher. Und tabulos.

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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