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WAZ: Arbeitslose in die Altenheime? Der falsche Ort für ein Jobprogramm - Leitartikel von Stefan Schulte

Essen (ots)

Die Regierung will Demenzkranken helfen. Richtig so.
Die Regierung will Arbeitslose in Arbeit bringen. Gut. Daraus den 
Plan zu schmieden, Demenzkranke von Arbeitslosen betreuen zu lassen, 
ist aber nur aus ganz kurzer Sicht naheliegend. Denn mit einer Logik 
dieser Kühnheit lassen sich Probleme am Schreibtisch leicht lösen. 
Nur ist das wirkliche Leben leider komplizierter und entzieht sich 
mit besonderer Vorliebe logischen Vorgaben kühner Politstrategen.
Zum Beispiel lassen im wirklichen Leben Unternehmen, sogar 
karitative, schon mal Fünfe gerade sein, wenn es dem Etat hilft. Sehr
hilfreich und sehr gerade sind etwa Ein-Euro-Jobber, die in 
Pflegeheimen eingesetzt werden. Natürlich zusätzlich zum 
Stammpersonal, steht ja im Gesetz. Ebenso natürlich strichen Heime 
Stellen und versicherten, dies habe mit der neuen Kolonne von 
Ein-Euro-Jobbern nichts zu tun.
Anstatt zwei Probleme im Vorbeigehen lösen zu wollen, sollte die 
Regierung sich eines von Nahem ansehen. Altersverwirrte Menschen sind
in Heimen am schlechtesten aufgehoben. Der Verlust der vertrauten 
Umgebung verstärkt ihre Ruhe- und Ziellosigkeit. Was sie vor allem 
bräuchten, ist menschliche Zuwendung, doch für die ist weder Geld 
noch Zeit da. Zu verantworten hat das der Gesetzgeber, der die Demenz
in der Pflegeversicherung bisher schlicht ignoriert hat. Spielen, 
Zuhören, Spazieren gehen - all das kam bisher in keinem 
Leistungskatalog vor und wurde deshalb nicht bezahlt.
Diesen Fehler hat die Regierung mit der Pflegereform zu 
korrigieren begonnen. Die Pflegekasse zahlt zusätzliche 
Betreuungsstellen in Heimen. Das wurde an dieser Stelle schon gelobt.
Nur war seinerzeit noch keine Rede davon, dass diese Stellen 
Spielmasse eines neuen Beschäftigungsprogramms für 
Langzeitarbeitslose sein sollen. Wer das kritisiert, wird vom 
Gesundheitsministerium der Arroganz geziehen. Welch ein Unsinn: 
Niemand hat etwas dagegen, dass sich Arbeitslose um diese Stellen 
bewerben. Wer für diese schwierige Aufgabe fachlich und seelisch 
gerüstet ist, wird den Job bekommen. Doch viele würden ihn - ohne 
Beschäftigungsprogramm - nicht bekommen. Darin äußert sich keine 
Arroganz, sondern das Wissen von Experten um die Tücke dieser 
Krankheit. Mit ihr umzugehen, erfordert besondere Charaktere. Die 
lassen sich nicht per Schnellkurs einhauchen. Die Demenz entwickelt 
sich rasend schnell zur Volkskrankheit unserer alternden 
Gesellschaft. Sie verdient jede politische Aufmerksamkeit, aber nicht
als Mittel zum Zweck einer schöneren Arbeitslosenstatistik.

Pressekontakt:

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Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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