Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Die Kulturhauptstadt ist in Gefahr - Beilegen. Aber schnell! - Leitartikel von Gudrun Norbisrath
Essen (ots)
Die Essener Oper wird mit höchstem Lob ausgezeichnet, die Philharmonie der Stadt kommt in schlimmstes Gerede. Und die Ruhr Triennale 2008 endet mit gutem Ergebnis. Nachrichten einer Woche.
Man könnte sie hinnehmen als Facetten einer Welt, die eben nicht eindeutig ist. Es geht auf der Negativ-Seite aber um mehr als um den Streit zwischen einem eigensinnigen Intendanten und einem rechthaberischen Aufsichtsratsvorsitzenden. Inzwischen geht es um die Kulturhauptstadt. Machen sich die Handelnden das nicht klar?
Keine anderthalb Jahre vor 2010 straft Essen einen renommierten Kulturmanager auf nicht nachvollziehbare Weise ab. Mit dieser hässlichen Hypothek ist kein guter Ruf zu schaffen - und das war doch das Ziel der Kulturhauptstadt. Aus den öffentlichen Äußerungen zur Entlassung Michael Kaufmanns klingt große Verständnislosigkeit, und oft Empörung. Das muss entschieden zu denken geben.
Allein, dass die industriellen Sponsoren mit Rückzug drohen, ist ein katastrophales Signal. Was soll denn geschehen, wenn die Geldgeber erklären, Essen sei ihres Engagements nicht mehr würdig? Was wird es sachlich für den Fortbestand der Philharmonie bedeuten, und welche emotionale Wirkung wird das haben? Wer sehend dieses Risiko eingeht, handelt abenteuerlich.
Niemand hat je ein schlechtes Wort über Michael Kaufmanns inhaltliche Arbeit verloren. Er sorgt zuverlässig für exzellente Qualität und hat beste Kontakte zur Musik-Elite. Ist das wirklich weniger wichtig als ein Loch im Haushalt? Keine Missverständnisse - wer zuviel Geld ausgibt, muss zur Rechenschaft gezogen werden. Aber die Stadt ist mit in der Verantwortung. Sie kannte die Lage, verlängerte aber trotzdem vorzeitig Kaufmanns Vertrag. Und warum wird nicht endlich ein externer Prüfer bestellt? Nur so wäre den bösen Geschichten über Intrigen und persönliche Feindschaft zu begegnen. Möglicherweise. Denn wenn diese Geschichten sich bewahrheiten, müssen Konsequenzen gezogen werden. Auch das wäre schlimm und müsste möglichst bald geschehen.
Ist das alles noch zu reparieren? Es muss, auch wenn es sehr schwer wird. Stadt und Region haben nicht ein starkes Stück gemeinsamer Begeisterung und Handlungsfähigkeit bewiesen, damit alles zerstört wird von Starrsinn, Eitelkeit und dem Drang, Recht zu behalten oder Recht zu bekommen. Es muss ein Weg gefunden werden, den Streit beizulegen. Aber schnell.
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