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WAZ: Die Politik und der Kinderlärm - Symbolpolitik ist besser als nichts - Leitartikel von Birgitta Stauber-Klein

Essen (ots)

Zunächst einmal: Klagen über Kinderlärm gab es schon
immer. Doch während früher Streitigkeiten um lärmende Kinder 
untereinander ausgetragen wurden (was oft genug mit Verboten endete),
werden sie heute oft verbissen geführt, bis sie vor Gericht landen 
und obendrein mehrere Instanzen beschäftigen.
Zum Glück ist den meisten Richtern das Recht auf freie Entfaltung
der Kinder besonders wichtig. Sie haben erkannt, dass Kinder heute 
durch die dichte Bebauung und den Straßenverkehr deutlich weniger 
Platz zum Spielen haben. So ist es kaum möglich, ein Kind und seine 
Freunde aus dem Gemeinschaftsgarten zu vertreiben. Und doch gibt es 
richterliche Erlasse, die zu schallgedämmten Rutschen führen, zu 
abgebauten Half-Pipes, umgepflügten Bolzplätzen und geschlossenen 
Kindergärten.
An diesem Punkt kommt natürlich die Frage auf, wieso eigentlich 
so viele Amtsgerichte, Rechtsanwälte oder Mietervereine mit 
Kinderlärm beschäftigt sind - obwohl die Zahl der Kinder und die Zahl
der Großfamilien seit Jahrzehnten stetig, sogar dramatisch 
zurückgeht. Hinzu kommt ein dicht gefüllter Terminplan der 
Heranwachsenden und deren Nachmittagsbetreuung in Kindergärten und 
Schulen. Herumziehende Kinderbanden kennen viele Mädchen und Jungen 
nur noch, wenn sie Romanleser sind.
Es ist vielleicht lauter geworden in Deutschland; an spielenden 
Kindern kann dies nicht liegen.
Im Gegenteil: Kinderlärm ist in manchen, vor allem 
innerstädtischen Wohngebieten rar geworden. Womöglich wird er deshalb
als besonderes Geräusch wahrgenommen und somit als ein störendes. 
Statt die wenigen verbliebenen Lärmkulissen durch geschlossene 
Spielplätze und Kindergärten völlig zu verbannen, müssen die Städte 
ihre Anstrengungen nun verstärken, die Familien zurück in die Städte 
zu holen. Im Übrigen ist es längst bewiesen, wie gut es der 
gegenseitigen Toleranz tut, wenn die Generationen in einem Wohngebiet
gut gemischt vertreten sind.
Dieser Prozess geht nicht von heute auf morgen. Deshalb brauchen 
die schwächsten, weil abhängigsten Mitglieder der Gesellschaft, die 
Kinder und Jugendlichen, die Unterstützung von Erwachsenen. Da ist 
eine reine Symbolpolitik, wie sie sich jüngst die CSU mit ihrem 
Einschreiten gegen Lärmklagen auf die Fahnen geschrieben hat, besser 
als nichts. Das gilt auch für die parteiübergreifende Forderung nach 
einem Familienwahlrecht.

Pressekontakt:

Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-2727
zentralredaktion@waz.de

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