Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Studie zur Kommunikation - Neue Nähe durchs Netz - Leitartikel von Matthias Schmeing
Essen (ots)
Die neuen Medien wie Internet und Handy werden gerne bemüht, die Entfremdung der Menschen zu erklären. Eine neue Studie scheint auf den ersten Blick diesen Verdacht zu nähren: 70 Prozent der Bürger über 45 Jahren bevorzugen das persönliche Gespräch, bei 14- bis 19-Jährigen sind es nur 36 Prozent - Internet-Chats und SMS sind hier die Favoriten.
Dabei sollte man sich vergegenwärtigen, dass die Grundidee des Internets - des Telefons sowieso - die Überbrückung von Distanzen, die Vernetzung der Menschen ist. Von Entfremdung ist auch in der Studie keine Rede, denn die regelmäßige Nutzung von Chats und die Kontaktpflege per Handy steigen. Vor allem bei den Jüngeren - noch. Aber gerade auch für Menschen, die nicht (mehr) so mobil sind, wie sie sich wünschen, bieten sich enorme Chancen.
Derzeit ist die Angst vor der Technik oft noch zu hoch. Das wird sich durch die ständige Vereinfachung und sinkende Kosten ändern. Und ein Telefonat über das Internet mit einer Kamera, die das Gegenüber zeigt, ist längst nicht mehr Science-Fiction. Ein Kränzchen mit herzlicher Umarmung und Kaffeeduft ersetzt das natürlich nicht, es ist aber eine Alternative, wenn die Möglichkeiten für Treffen immer eingeschränkter werden. Für andere wird eine Urlaubsbekanntschaft so viel einfacher als in früheren Zeiten zur tiefen Freundschaft.
Die neuen Medien ersetzen den persönlichen Kontakt also nicht, sie helfen aber, Entfremdung oder gar Vereinsamung zu verhindern.
Einen Blick in die Zukunft der Mediennutzung gewährt die sogenannte KIM-Studie, die nun schon seit zehn Jahren das Medienverhalten von 6- bis 13-Jährigen beobachtet. Die dort genannten Themeninteressen der Kinder dürften alle, die Entfremdung befürchten, zuversichtlich stimmen: Jungen und Mädchen sind Freundschaften mit großem Abstand am wichtigsten. Wie diese gepflegt werden, ist dabei doch zweitrangig. Wichtig ist, dass der Mensch Rückhalt und Unterstützung darin findet.
Unterstützung benötigen gerade Kinder und Jugendliche allerdings, wenn es um das Erlernen des Umgangs mit den neuen Medien geht. Denn die Neugier und Offenheit gegenüber dem Neuen birgt Risiken. Ältere Geschwister, Eltern und Lehrer sollten sich von der Neugier anstecken lassen und im Gegenzug ein wenig ihrer Skepsis und Vorsicht an die jüngere Generation weitergeben, damit aus unbedarftem Handeln eine sichere Nutzungskompetenz erwächst.
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