Westdeutsche Allgemeine Zeitung
WAZ: Lafontaine rät zum Generalstreik - Meister im Unruhestiften - Leitartikel von Rolf Potthoff
Essen (ots)
Alle Räder stehen still, wenn mein starker Arm es will" - ein Spruch mit Magie. Ein Spruch, der strotzt vor Kampfeswillen und Siegesgewissheit. Mit diesem Motto wurden Mythen von unüberwindbarer Stärke genährt. Die Botschaft: Solidarische Entschlossenheit kann Berge versetzen.
Und? Ist diese Entschlossenheit nicht das, was Deutschland jetzt braucht? In dieser Zeit, da sich ökonomische Weisen mit Hiobsbotschaften überschlagen? In der sich die Kluft zwischen Oben und Unten, Gewinnern und Verlierern vertieft und hochmögende Verantwortungsträger mahnend über "soziale Unruhen" schwadronieren?
Jedenfalls ist ein solches Klima das geeignete Umfeld für Leute wie Lafontaine, um extremste Vorstellungen als seriös zu verkaufen. Den politischen Generalstreik verlangt er. Er versteht es, Unruhe zu stiften.
Was schwebt ihm da vor? Ein Generalstreik wie 1920, mit dem Sozialdemokraten, Gewerkschafter und Kommunisten den "Kapp-Putsch", den Umsturzversuch der Rechten verhinderten (wobei aber die ex- treme Linke den Streik für ihre eigene Revolution nutzen wollte)? Oder die Mai-Unruhen von '68, als ein von der Linken ausgelöster wilder Generalstreik ganz Frankreich in lähmende Agonie zwang?
Der politische Generalstreik ist in unserem Land verboten. Die Schöpfer der Verfassung und höchste Gerichte wollten damit ausschließen, dass die repräsentative Demokratie vom - womöglich durch politische Hetze aufgeputschten - Druck von der Straße ausgehebelt wird. Der politische Generalstreik hat mit dem Streikrecht, das Waffengleichheit zwischen Arbeitnehmern und -gebern schafft, nichts gemein. Denn Generalstreiks zielten immer wieder auf Umsturz, auf Systemveränderung ab.
Ist es das, was Lafontaine in Wirklichkeit will? Wäre es so, käme eigentlich Artikel 20 Grundgesetz gegen ihn infrage: "Gegen jeden, der es unternimmt, die verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand." Mit seiner Bemerkung zur Geiselnahme von Betriebsleitern überschreitet er nun jedes Maß.
So treibt er sein gefährliches Spiel mit der Verunsicherung der Menschen. Er ignoriert, dass die Politik, gegen die er den Streik will, die Kraft hat, Missstände zu revidieren (z. B. Managerhaftung). Leider hat er von unerwarteter Seite Flankenschutz - wenn SPD-Präsidentenkanditin Gesine Schwan von wachsender Wut im Lande spricht.
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