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WAZ: Was der Armutsatlas ausblendet - Bildung ist der beste Schutz. Kommentar von Dirk Hautkapp

Essen (ots)

Armutsforschung in Deutschland ist  immer politisch
gefärbt, also von handfesten Interessen geleitet. Wer sich nur an die
gegenseitigen Schuldzuweisungen und Betrugsvorwürfe in der Großen 
Koalition erinnert, die vorigen Sommer mit dem letzten Armuts- und 
Reichtumsbericht der Bundesregierung einhergingen, weiß: Mit 
Statistiken kann man alles zeigen, ohne etwas wirklich zu beweisen. 
Man muss sie nur in die gewünschte Richtung interpretieren.
Der Paritätische Wohlfahrtsverband hat sich mit seinem neuen 
regionalen Armutsatlas dem im Grundsatz lobenswerten Ziel 
verschrieben, eine drohende Gefahr in die Köpfe der Menschen zu 
bekommen: die Gefahr des Verlustes von Zusammenhalt in einer 
wirtschaftlich sehr unterschiedlich robust verfassten Republik. Da 
ist gerade im Lichte der gegenwärtigen Krise, die ihre Wirkung 
zeitverzögert entfalten wird, etwas dran. In einer Gesellschaft, die 
ökonomisch auseinanderdriftet, steht früher oder später der innere 
Friede auf dem Spiel. Die Aussicht darauf, dass ganze Landstriche 
nicht nur im Osten, beschleunigt durch den demografischen Wandel, von
einem traurigen Wechselspiel aus Arbeitsplatzmangel und Abwanderung 
leer gefegt werden, darf darum niemanden kalt lassen.
Allerdings kann man eine Gleichheit der Lebensbedingungen nicht 
verordnen. Es gibt überall in Europa ungleiche 
Ausgangsvoraussetzungen. Es gab sie immer. Und die Unerbittlichkeit 
der Globalisierung, die Unternehmen dahin ziehen lässt, wo 
qualifizierte Arbeitskräfte und eine zeitgemäße Infrastruktur 
vorhanden sind, werden diesen Zustand noch verschärfen. Im nationalen
Maßstab, wo vielerorts bereits mit passgenauen Standortkonzepten 
gegen diese Widrigkeiten experimentiert wird, lässt sich diese Logik 
nicht aushebeln. Es wird Flecken in Deutschland geben, die sich aus 
der Abwärtsspirale nicht mehr befreien können.
Der Wohlfahrtsverband macht darum einen Fehler, wenn er den 
Ausgleich der räumlichen und strukturellen Ungleichgewichte zwischen 
Nord- und Süd-, zwischen Ost- und Westdeutschland in erster Linie 
über höhere soziale Transferleistungen stemmen will. Zuletzt betrugen
die Sozialleistungen in Deutschland rund 700 Milliarden Euro - fast 
30 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Nur: Bei den Bedürftigen kommt
immer weniger an. Die Wirksamkeit dieser Verteilungsmaschine bedarf 
einer Steigerung. Davon abgesehen: Der beste Schutz gegen Armut und 
abgehängte Regionen ist Arbeit. Die Grundlage für gute Arbeit, die 
Armut reduziert, ist Bildung.

Pressekontakt:

Westdeutsche Allgemeine Zeitung
Zentralredaktion
Telefon: 0201 / 804-6528
zentralredaktion@waz.de

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